Blogs und soziale Medien für nachhaltige Projekte konzipieren

Gut geplant wird’s besser

Von Kilian Rüfer

Es ist gut, sofort anzufangen. Trotz guter Vorsätze merkt man bisweilen im Tagwerk erst hinterher, wenn planvolle Überlegungen gut gewesen wären. Es ist wie mit einem Wander-Rucksack: Ohne Abstreichliste fehlt Wichtiges; andererseits plagen Sie sich beim Wandern mit unnötigem Ballast. Sie sollten sich auch bei einem noch so eng gestrickten Kalender Zeit für die Fragen der Art „warum?“, „für wen?“, „womit?“, „was?“, „wie?“, „wer macht es?“ und „was kostet es?“ nehmen. Die folgenden Bausteine gelten im Groben für die gesamte Kommunikation. Im Detail beschreibe ich hier die Konzeption für soziale Medien und Blogs.

Warum im Netz kommunizieren? Ziele definieren

Machen Sie sich Ihre Ziele klar, bevor Sie sich in den digitalen Raum stürzen. Für sich selbst und etwaige Auftragnehmer ist es bedeutsam, die Erwartungen zu benennen. Als Erstes muss die übergeordnete Idee dahinter klar sein:
So könnten Ihre Ziele beispielsweise aussehen:

  • Anregungen für Verhaltensänderungen mit dem Ziel Nachhaltigkeit
  • Offline Aktionen sichtbarer machen
  • Auf Missstände aufmerksam machen wie ein „watchdog“
  • Sich als Meinungsführer und Experte etablieren
  • Fundraising: Spenden für einen guten Zweck einwerben
  • Teilnehmer und Mitglieder werben

Sobald Sie die übergeordneten Ziele benannt haben, ist eine Präzisierung derselben angesagt. Formulieren Sie konkrete, messbare, realistischer Weise erreichbare Ziele mit Terminvorgabe. Die leicht ablesbare Messbarkeit ist eine große Stärke im Internet. Allerdings braucht man einige Erfahrung, um anschließend aus den vielen Indikatoren ein schlüssiges Bild zu interpretieren. Zu Beginn sollten Sie gemeinsam mit darin erfahrenen Personen die Plausibilität hinterfragen. Messgrößen sind Seitenaufrufe, die Verweildauer bzw. Absprungrate (bounce rate), Anzahlen sozialer Erwähnungen (share of voice), die Anzahl positiver und negativer Meinungsäußerungen (sentiments), das Maß an Austausch und eben die daraus folgenden „harten Ergebnisse“.

Wer und wie ist Ihre Zielgruppe?

Wir wollen eine Gruppe von Menschen ansprechen, deren Individuen sich durch gemeinsame Merkmale beschreiben lassen. Wir wollen aber auch in den Dialog kommen und Beziehungen aufbauen, weshalb wir nach und nach hinter dieser Beschreibung Menschen entdecken. Dennoch ist eine Zielgruppenbeschreibung nützlich, um durch die vereinfachten „Vorurteile“ die eigene Kommunikation zu planen.

Machen Sie zunächst ein Brainstorming:

  • Wer interessiert sich für das, was wir bieten?
  • Wie sind diejenigen eingestellt, die wir bisher erreicht haben?
  • Wen würden wir gerne außerdem erreichen?

Stückweise können Sie sich immer präziser vorarbeiten. Sammeln Sie Daten und subjektive Einschätzungen. Sprechen Sie mit Menschen aus der gewünschten Gruppe über Ziele, Werte, Motivationen und Hemmschwellen, Hinderungsgründe.
Erfassen Sie alles, was an Daten Sie bekommen können:

  • Soziodemografische Daten (Alter, Geschlecht, Beruf, Familienstand …)
  • Psychografische Daten (Wünsche, Werte, Lebensstil, Hobbys …)
  • Technografische Daten (technische Ausstattung, Nutzungsverhalten in sozialen Medien)
  • Geografische Daten (Wohnort und dezidierte Wohngegend, Land, Kultur …

Um unsere Gesellschaft und deren Funktionsweise besser zu erfassen, gibt es Beschreibungen, die Gruppen in Segmente aufteilen. In Frage kommen „sinus milieus“, „limbic maps“ und „digital lifestyles“. Bei vielen nachhaltigen Themen kommt die Zielgruppe der „LOHAS“ (Lifestyles Of Health And Sustainability) in Frage. Wird diese mit den Social-Media-Affinen verbunden, ergibt sich die relativ unerforschte Zielgruppe „PARKO“, was für „partizipativer Konsument“ steht.

Tipp: Ein sehr anwendungsorientiertes Werk finden Sie im Internet: „Nachhaltigkeit kommunizieren – Zielgruppen, Zugänge, Methoden“ von Dr. Silke Kleinhückelkotten und Elisabeth Wegner. Dr. Kleinhückelkotten ist eine gute Ansprechpartnerin, um nachhaltige Zielgruppen besser zu verstehen.

Sobald Sie Daten, Segmentierungen und Vorstellungen zur Zielgruppe haben, gibt es einen guten Kniff: Entwickeln Sie „personas“. Hierbei geht es um fiktive Personen in Ihrer Zielgruppe. Diese beschreiben Sie mit allen relevanten Daten. Um weiche Fakten können Sie die persona mithilfe eines „moodboards“ und einer Personalisierung anreichern: Visualisieren Sie die Stimmung Ihrer Person mit einer Bildcollage und geben Sie ihr einen fiktiven Namen. Damit halten Sie eine subtile Vorstellung fest.

Wo ist Ihre Zielgruppe?

Gute Inhalte müssen ankommen, um zu wirken. Wenn Sie ihre Zielgruppe gut kennen, müssen Sie wissen, wo sich diese bewegt. Hierfür nun eine Liste mit Fragen und Tipps:

  • Welche Medien nutzen die Personen? Es ist auch möglich, dass Internet keine Rolle spielt und sie beispielsweise nur kommunale Zeitungen lesen oder nur Radio hören.
  • Wenn sie sich im Internet bewegen: Welche sozialen Medien werden genutzt?
  • Liest Ihre Zielgruppe bereits Blogs?
  • Wie lassen sich die bisherigen Leser Ihrer Internetseite beschreiben?

Gibt es auf Facebook & Co. thematisch passende Gruppen?
Um die Nutzung in den sozialen Medien abzuschätzen, finden Sie bei BITKOM gute Studien unter dem Stichwort „Soziale Netzwerke“. Auch beim kommerziellen Anbieter „EResult“ erhalten Sie nach einer Anmeldung aufschlussreiche Ausschnitte von Studien zur Nutzung digitaler Medien. Eine gute Studienübersicht bietet das unternehmerische „socialmedia institute“.

Machen Sie sich klar, mit welchen Medien Sie Ihre Zielgruppe erreichen können.

Was sind die richtigen Inhalte?

Wie in jedem guten Gespräch ist Zuhören das Wichtigste. Für Ihre Inhalte ist es gut, im ersten Schritt zu analysieren, wie man über Sie und mit Ihnen im Internet redet. Analysieren Sie auch, welche Themen bisher bei Ihnen oder vergleichbaren Einrichtungen gut „ziehen“.
Wenn Sie nun mehr und mehr Ihre Zielgruppe kennenlernen, ist es wichtig, dass Sie die Berichte in Ihrem Metier lesen: Was schreiben Ihre Follower auf Twitter? Welche Inhalte werden auf Facebook geteilt? Welche Blogbeiträge werden durch viele Kommentare gewürdigt? Für ein konstantes Monitoring können Sie sich ein Set aus Ihren besten Quellen machen und natürlich auch mit diesen Personen in das Gespräch kommen.

Mit Werkzeugen wie „Google Trends“ können Sie thematische Ideen prüfen: Wird das Thema wirklich gesucht? Über welchen Begriff wird es gesucht?
Wenn Sie immer mehr ein Gefühl für die Inhalte und Diskussionen bekommen, dann können Sie sich eine Themenplanung machen.

  • Welche Inhalte dienen Ihrem strategischen Ziel?
  • Welche Veranstaltungen und Anlässe geben Themen vor?
  • Was brennt Ihnen unter den Nägeln?
  • Was brennt Ihrer Zielgruppe unter den Nägeln?
  • Wofür haben Sie gute Gastautoren?
  • Wie häufig und auf welchen Kanälen wollen Sie etwas publizieren?

Ebenso wichtig wie eine gute Themenplanung ist es, auf das gute Gefühl (ja, das „Bauchgefühl“) oder den kreativen Impuls zu hören. Wenn sich ein Artikel oder Beitrag wie von selbst schreibt, sollten Sie es Ihren Fingern erlauben. So öffnen Sie den Zugang zu Ihrer Leidenschaft und Neugier.

Wie sind die richtigen Inhalte beschaffen?

Neben den harten Inhalten sind weiche Botschaften ebenso wichtig, um Ihre Zielgruppe als ganze Menschen anzusprechen. Analysieren Sie im Monitoring nicht nur, sondern erspüren Sie empathisch den Ton und auch die Werte, die im Webgeflüster stecken.

Grundsätzlich ist es das Gefühl der Betroffenheit, mit welcher die Aufmerksamkeit zunimmt. Daher ist es so schwierig, für ferne, künftige Probleme die Ohren zu öffnen. Sind aber Überschwemmungen, Dürren, Stürme oder Schädlingsplagen akut, dann eröffnen sich die echten Gelegenheitsfenster. Auch der persönliche Bezug über gemeinsame Bekannte, den Wohnort etc. sind Dinge, die das „Involvement“ steigern lässt. Manchmal muss man „das Pferd von hinten aufzäumen“ und bringt den nachhaltigen Aspekt nur am Rande als „Sahnehäubchen“ ein.
Als Erfolgsfaktoren hat Teresa Mangold in ihrer Dissertation „Social Media im Nachhaltigkeits-Markenmanagement“ folgende Werte beschrieben: Glaubwürdigkeit, Erfahrung und Expertenschaft (Expertise), Vertrauenswürdigkeit, Bekanntheit und Legitimität (Daseinsberechtigung der Einrichtung). Inhalte müssen also glaubwürdig, fachlich belastbar und ehrlich gemacht sein. Dazu kommt, dass Ihre Bekanntheit als Absender und das Vertrauen in Ihre Institution eine wichtige Rolle spielen. Teresa Mangold beschreibt in etwa folgende Gestaltungsmöglichkeiten, wobei ein Inhalt als Interaktion aufgefasst werden muss:

  • Erhalt von nachhaltigkeitsrelevanten Informationen
  • Vermittlung von nachhaltigkeitsrelevanten Informationen
  • Involvierung von Stakeholdern und Nutzung von kollektivem Wissen
  • Realisierung der Stakeholder-Vorschläge
  • Beleg der Ehrlichkeit
  • Herstellung von Transparenz
  • Beziehungsaufbau zu Meinungsführern
  • Etablierung von und Beteiligung an Netzwerken
  • Identifizierung und Beobachtung nachhaltigkeitskritischer Themen
  • Anerkennung und Umsetzung der Inputs von Stakeholdern
  • Respektvoller Umgang mit Stakeholdern

Richtige Inhalte sind authentisch und persönlich, wenn Sie damit Beziehungen aufbauen. Haben Sie den Mut, ganz Sie selbst zu sein – hier dürfen, ja müssen Sie es! Berichten Sie von den Dingen so, wie Sie diese wirklich sehen. Es ist dann richtig, wenn man persönlich wie online unterschiedslos den gleichen Menschen kennen lernen kann. Ich empfinde diese Botschaft wohltuend entspannend. Auch in einer authentischen Haltung bleiben Spielräume: Wählen Sie das Web-„Du“ oder passt doch das gewohnte „Sie“ besser? Sprechen Sie eher höflich wie auf einem öffentlichen Empfang oder sind Sie sogleich in einem privaten, lockeren Umfeld? Hier können Sie authentisch bleiben und sich an den Raum anpassen, den Sie für Ihre digitale Erscheinung planen.
Ein weiterer meist passender Grundsatz ist Transparenz. Ehrlichkeit währt am längsten. Sie wollen Beziehungen aufbauen – es sollte belastbare Gründe geben, Ihnen zu vertrauen. Anstelle eines PR- oder noch schlimmer werblichen Stils können Sie mit Bedacht offen über Vor- und Nachteile schreiben.
Dank der Arbeit von Frank-Martin Belz und Michael Bilharz wissen wir um den Nutzen von Motiv-Allianzen. Mit welchen Motiven aber kann nachhaltiges Verhalten eine Allianz bilden? Hierzu ist für mich das Werk „Psychische Ressourcen zur Förderung nachhaltiger Lebensstile“ von Professor Dr. Marcel Hunecke eine Fundgrube. Er beschreibt folgende die Lebensqualität bereichernde Fähigkeiten: Genussfähigkeit, Selbstakzeptanz, Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit, Sinngebung und Solidarität.
In den weichen Botschaften sind individuelle Werte enthalten. Auch wenn einem Werte nicht immer bewusst sind, ist da doch immer eine verbindende Gemeinsamkeit. Über das einfühlsame Werte-Schürfen im Dialog hinaus bietet die Schweizer Stiftung Spirit.ch methodische Ansätze, um Werte systematisch zu erfassen.
Symbolische Bedeutungen sind ein weiterer weicher Inhalt. Für Konsumpraktiken beschreibt Gerd Scholl in seinem Buch „Marketing nachhaltiger Dienstleistungen“, wie derartige kollektive Verhaltensmuster nicht nur eine faktische, sondern auch eine symbolische Bedeutung haben. Hierbei weist er u. a. auf die Berücksichtigung der Routinen bzw. Gewohnheiten und praktische Kompetenzen hin, um beispielsweise anstelle des Statussymbols eines deutschen Autos stolz auf die Teilnahme an modernem Carsharing zu sein.

Wer macht es?

Sie können alles selbst machen. Ehrenamtliche können im Maße der eigenen Bereitschaft mitwirken. Auch können Sie Spezialisten für einen Teil der Aufgaben engagieren.
Wenn Sie es bei sich anpacken wollen, sollten Sie die Arbeitszeit und die Kosten dafür abschätzen, um nicht in die Falle des Milchmädchens zu tappen. Wie viel Zeit aber brauchen Sie? Pauschal lässt sich dies nicht beschreiben – daher hier einige Beispiele:
Der fiktive Blog ÖKOBILD-Zeitung soll wöchentlich mit drei Beiträgen gefüllt werden und über soziale Medien zum Lesen und Veranstaltungen machen aktivieren:

  • 2 bis 6 h pro Artikel mit Erfahrung
  • 1 bis 2 h pro Gastartikel durch Laien für Vorgespräch und Feedback
  • 30 min Twitter täglich
  • 30 min Facebook täglich
  • 30 min Kommentare und Recherche täglich

Für das fiktive Projekt ÖKOBILD sollten 1 bis 2 Arbeitstage wöchentlich eingeplant werden.
Die Erlebnispädagogen „Wildnisbürger“ wollen ein bisschen soziale Medien mit Blog machen, um zusätzliche Teilnehmer zu akquirieren. Es sollte ein halber Tag pro Woche eingeplant werden, womit meist ein Artikel pro Woche gelingen kann.
Leicht können auch Social-Media-Teams aus zwei Personen (z.B. im sozialen Jahr) voll mit der digitalen Medienarbeit beschäftigt sein. Abwechslung mit persönlichen Gesprächen und Handarbeiten macht das Tätigkeitsprofil menschenfreundlicher.

  • Fangen Sie nur dann an, wenn Sie genug Zeit für die Ziele einsetzen können und wollen.
  • Definieren Sie Leitplanken, in denen sich Ihre Mitstreiter im sozialen Netz bewegen dürfen.

Kilian Rüfer (SUSTAINMENT®)

Der bei Hannover aufgewachsene gelernte Mediengestalter, Arborist und Ingenieur für nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien betreibt seit 2005 die Agentur SUSTAINMENT®. Die auf Nachhaltiges spezialisierte Kommunikationsagentur baute er parallel zum Studiums in Göttingen auf. Ebenfalls bloggt er und engagiert sich ehrenamtlich im Netzwerk der Energieblogger.

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