‚Climate Visuals‘ statt Eisbären und Schlote
Welche Bilder braucht der Klimawandel?
Die öffentliche Wahrnehmung des Klimawandels wird geprägt durch zunehmend stereotype Bildmotive, die offenbar nur noch wenig Neugierde, Aufmerksamkeit oder gar Handlungsmotivation hervorrufen. Das Projekt klimafakten.de hatte daher ins Hamburger Climate Service Center Germany (GERICS) eingeladen, um anhand der Ergebnisse einer umfangreichen Studie die Rezeption und möglichen Effekte der fotografischen Veranschaulichung des Klimawandels zu diskutieren.
Dass Bilder eine große Rolle spielen, um die Gesellschaft für die Erkenntnisse der Klimaforschung zu sensibilisieren, betonte gleich zu Anfang die Direktorin des GERICS Daniela Jacob. Doch müssen das immer wieder die Bilder sein, die in der medialen Darstellung fast zu Ikonen des Klimawandels geworden sind, aber offenbar nur noch wenig bewirken? Können der verlorene Eisbär auf der Scholle, ausgemergelte Rinder auf vertrockneten Böden oder verbrannte Wälder noch für Aufmerksamkeit sorgen?

The destruction of primary rainforest by illegal palm oil plantations, Kalimantan, Borneo, Indonesia. Foto: David Gilbert/RAN (CC BY-NC 2.0)
Sieben Prinzipien der Visualisierung
Um diese Frage – und die nach den visuellen Alternativen – zu beantworten, präsentierte Adam Corner, Forschungsdirektor des britischen Organisation Climate Outreach, die Ergebnisse einer internationalen Studie, in der mehr als 3000 Teilnehmer zu ihrer Wahrnehmung von Fotos mit unterschiedlicher Motiven und Darstellungsformen befragt wurden, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel verwendet werden – begleitet von diversen Expertenworkshops. Das Ergebnis der Studie mündet in sieben Schlussfolgerungen, gekennzeichnet durch folgende Stichworte: 1. authentische Personen (‚Betroffene‘) zeigen; 2. (nur) neue und ungewohnte Bilder können etablierte Wahrnehmungsmuster verändern; 3. individuelles (Fehl-)Verhalten in übergeordneten Zusammenhängen zeigen; 4. stark emotionalisierende (Problem-) Bilder mit konstruktiven Botschaften verknüpfen; 5. Bilder von Klimafolgen aus dem unmittelbaren Umfeld bevorzugen; 6. Demonstrationen und Klima-Aktivisten zurückhaltend und gut überlegt präsentieren (Abschreckungseffekt für Außenstehende); 7. Visualisierungen zielgruppengerecht gestalten („understand your audience“).

Auch beim Klima strahlt die Prominenz und die Experten bleiben im Dunkeln. Oliver Oest (Tinkerbelle), Lars Lindemann (GEO), Eva Lodde (ARD) (unten von links nach rechts) Foto: Joachim Borner
Routine, Popularität, Ästhetik
Nun mögen einem diese Ergebnisse im Einzelnen nicht besonders originell vorkommen, und doch können sie in ihrer Gesamtheit zur Reflexion einladen und wichtige Anregungen liefern. Das bewies auch ein anschließendes Podium, bei dem deutlich wurde, wie sehr visuelle Konzeption und Praxis von den jeweiligen institutionellen Handlungslogiken definiert werden. So erklärte die ARD-Korrespondentin Eva Lodde die Bebilderung der Fernsehnachrichten mit zumeist bekannten stereotypen (Hintergrund-) Fotos mit der Ansprache eines sehr breiten Publikums in sehr kurzen Beitragsformaten. Oliver Oest wies als Werbefachmann darauf hin, dass die meisten Menschen spontan eher mit lustbetonten und anerkannten Motiven anzusprechen seien (etwa Katzen und Schauspieler), während Lars Lindemann, Foto-Chef des GEO-Magazins, seiner speziellen Leserschaft auch längere, anspruchsvolle Fotoreportagen zumuten kann. Er machte auch darauf aufmerksam, dass gerade Krisen- und Katastrophen-Fotos oftmals mit einer grandiosen Bild-Ästhetik einhergehen, die den Betrachter in einer Mischung von emotionaler Betroffenheit und ästhetischem Wohlbefinden zurücklasse und gerade nicht zu persönlichem Engagement und Handlungsbereitschaft führe. Daher müssten nicht nur die Bildinhalte sondern auch deren ästhetische Präsentation sorgfältig reflektiert werden.
Climate Visuals
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die Verbildlichungen des Klimawandels jeweils eigene Geschichten erzählen und nicht nur als Beiwerk, als Veranschaulichungszugabe zu gesprochenen oder geschriebenen Botschaften wirken. Um hier auf einen großen Fundus zurückgreifen zu können, wurde im Kontext der Studie die ClimateVisuals Datenbank aufgebaut mit hunderten von Fotos, strukturiert nach inhaltlichen Kriterien oder nach der Intention ihrer Nutzer. Jedes Foto ist kommentiert, und es gibt Informationen zur Lizens-Vergabe (viele davon mit einer CC-Lizenz). Kein Wunder, dass dieses hilfreiche Klima-Foto-Archiv bereits nach einem Jahr eine halbe Million Zugriffe hatte und äußerst positiv kommentiert wurde…
Friedrich Hagedorn
Alle Fotos dieses Beitrags mit cc-Lizenz entstammen der Datenbank von Climate Visuals.