Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler
Nachhaltigkeitskommunikation nach dem Ecotainment-Konzept
Clemens Schwender und Martin Kreeb
Die Qualitäten der Nachhaltigkeitskommunikation sind noch nicht endgültig geklärt. Zwischen den Anliegen der Kommunikatoren und der Akzeptanz bei den Zielgruppen liegen bisweilen Welten. Umschauen nach kommunikativen Konzepten sollte man sich in allen Bereichen der Medien. So könnte es sich lohnen, das Informationsangebot der tagesaktuellen Medien anschauen. Mit welchen Strategien werden dort Nachrichten verbreitet?
Um das Ziel der Informationsvermittlung auf allen Ebenen umzusetzen, müssen aktuelle Erkenntnisse der Nachhaltigkeitskommunikation einbezogen werden. So kam der Kontakt zu dem BMBF-geförderten Forschungsprojekt balance[f] zustande. Dieses führte sogenannte Transfer-Workshops durch, wobei andere Projekte an den Forschungsergebnissen teilhaben konnten.
Der Forschungsverbund des Medialisierungsprojektes balance[f] hatte sechs Projektpartner. Die wissenschaftlichen Forschungsleistungen wurden an der Universität Hohenheim (Forschungsschwerpunkt Marketing), dem nwd Institut (Forschungsschwerpunkt Konsum) und der Jacobs University Bremen (Forschungsschwerpunkt Medien) erbracht. Die auf Umwelt-PR und Nachhaltigkeits-Marketing spezialisierte Agentur .lichtl sowie das Grimme-Institut unterstützten das Projektteam beim Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis. Die Welt der Wunder GmbH war der Medienpartner des Forschungsprojektes balance[f].
Das Forschungsprojekt balance[f] zur „Medialisierung der Nachhaltigkeit“ entwickelte und evaluierte neue Strategien und Konzepte zur massenmedialen Kommunikation des Nachhaltigkeitsbegriffes. An dieser Entwicklung waren vor allem die Projektmitglieder betraut, die kommunikationswissenschaftliche Ansätze einbrachten und zum Beispiel die Rolle der Emotionen beim Wissenserwerb erforschten.
Umwelt ist durch das Thema Klimawandel gegenwärtig auf der Agenda der Medien, Übersättigungserscheinungen können es jedoch schnell wieder verdrängen. Das Projekt entwickelte hier Strategien, wie ein Megatrend Umwelt geschaffen werden könnte. Gleichzeitig beklagten die Experten, dass das übergeordnete Konzept der „Nachhaltigkeit“ dem Großteil der Bevölkerung unbekannt sei. Hier setzte das Projekt balance[f] an.
Das Forschungsprojekt balance[f] zur „Medialisierung der Nachhaltigkeit“ entwickelte und evaluierte neue Strategien und Konzepte zur massenmedialen Kommunikation des Nachhaltigkeitsbegriffes sowie seiner konkreten Anwendungsfelder. Die Begleitforschung basiert auf den Disziplinen Medien-, Konsum- und Marketingwissenschaft (Schwender et al 2008). Sie untersuchten die Zusammenhänge einer effektiven Nachhaltigkeitskommunikation und suchten nach innovativen Wegen, die Nachhaltigkeitskommunikation in den Massenmedien und damit in großen Teilen der Bevölkerung bis hin zu den „Umwelt-Resistenten“ fest zu etablieren.
Ziel der Strategie ist es, die Konsumenten über eine emotionale Inszenierung und Präsentation von attraktiven Lebensstilen, wie man sie aus der Produktwerbung kennt, zu einem nachhaltigen Verhalten anzuregen. So wurde die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch neue Wohn- und Architekturkonzepte in ästhetisch attraktiver Sendeform in der Wissenschaftsendung „Welt der Wunder“ auf dem Sender RTL2 thematisiert. Dabei wurde das Thema nicht mit erhobenem Zeigefinger kommuniziert, sondern in einer emotional ansprechenden und unterhaltenden Form des Ecotainment-Konzeptes. Dabei stehen nicht rationale Argumente wie die Sinnhaftigkeit des nachhaltigen Flächenmanagements im Vordergrund, sondern interessante und unterhaltende architektonische Innovationen wie effiziente und ästhetische Wohnkonzepte, die den Bauherren durch Kosteneffizienz und Ästhetik ansprechen. Ecotainment betont die Effizienzkomponenten durch emotionale Aspekte im nachhaltigen Handeln und empfiehlt, inhaltlich den nachhaltigen Gebrauch von Produkten und Dienstleistungen durch emotionalisierende Komponenten in den Mittelpunkt von Kommunikationskampagnen zu stellen. Ecotainment funktioniert nicht über negative Gefühle wie Hilflosigkeit, Katastrophenszenarien oder Hoffnungslosigkeit. Vielmehr werden positive Gefühle vermittelt wie die der Handlungsfähigkeit. Die Obama-Formel „Yes we can“ arbeitet mit den positiven Aspekten der Ecotainment-Kommunikationsstrategie, um dem Bürger einerseits den Ernst der Lage der Umwelt- und Klimasituation prägnant näherzubringen und gleichzeitig seine individuellen Handlungsmöglichkeiten in der Krise aufzuzeigen.
1. Die öffentliche Debatte mitgestalten
Von Seiten der Nachhaltigkeitsakteure bis zu den Verbund- und Einzelprojekten stehen zunächst Gedanken prinzipieller Art des Agendasettings am Anfang, nämlich: „Warum sollte unser Projekt in den Massenmedien präsent sein?“ und, wenn diese Frage hinreichend positiv beantwortet ist: „Wie kommt man in die Medien?“ Die erste Frage kann auch negativ entschieden werden, wenn man nämlich keinen Kontakt zur Öffentlichkeit sucht oder braucht. Doch wer ein Anliegen hat, das über das eigene Büro hinausgeht, braucht die öffentliche Diskussion. Denn wer in den Massenmedien präsent ist, hat eine größere Chance, bei den relevanten Zielgruppen außerhalb der Community anzukommen. Wer nicht gezielt in den einschlägigen Informationskanälen sucht, wird kaum auf das Projekt aufmerksam werden. Massenmedien wie Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften hingegen richten sich an ein unspezifisches Publikum und sie können darum auch Menschen erreichen, die bislang nicht einmal wussten, dass sie mögliche Betroffene oder gar Entscheider sein können. Von Grundbesitzern mit Eigenheim, Land- und Forstwirten, Investoren über Gemeindevertreter bis zu Architekten oder Stadt- und Regionalplanern sind viele mit der Thematik der Flächennutzung beschäftigt, ohne dass es ihnen explizit bewusst ist. Im Grunde ist das Thema auch alle anderen relevant, da wir alle mit den Folgen dieser Entscheidungen zu tun haben. Und nur eines haben alle gemeinsam: Es sind Nutzer und Nutzerinnen von Massenmedien. Der Weg vom Fernseher oder von der Zeitung als erste anregende Informationsquelle zum Internet als Anbieter von fundierten Aussagen ist heutzutage ja nicht weit. Es braucht aber bisweilen aber eine Initialzündung, um etwas über ein Thema erfahren zu wollen. Niemand googelt nach Informationen, die er nicht sucht. Interesse und Aufmerksamkeit für Themen werden aber bisweilen durch Fernsehen und Tageszeitung ausgelöst. Also überall, wo die Darstellung des Projektes in der Fachöffentlichkeit nicht als ausreichend empfunden wird, ist der Kontakt zu Massenmedien zu empfehlen. Dies gilt natürlich besonders, wenn es eine Botschaft gibt, die für viele interessant und relevant ist. Wer neue oder wesentliche Argumente zu Themen liefern kann, die sowieso in der öffentlichen Debatte sind, hat sicher sogar gute Chancen, wahrgenommen zu werden. Der Begriff Agenda Setting beschreibt die Tätigkeiten der Massenmedien, die konkrete Themenschwerpunkte und Einschätzungen darüber in der öffentlichen Meinung setzen, um die öffentliche Debatte zu gestalten. Aus Sicht der Akteure muss man diesen Begriff erweitern in Agenda Surfing, also das Erkennen und Zuliefern von Themen, um eigene Positionen einzubringen.
Und schließlich gibt es noch einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt, warum man in den Medien präsent sein sollte: Wenn ein Projekt mit öffentlichen Geldern – also durch Steuermittel der Bürger – finanziert wird, hat die Öffentlichkeit geradezu ein Recht, etwas über die Arbeit zu erfahren.
2. Wie kommt man in die Medien?
Nichts leichter als das: Wenn man Amok läuft, ein Kind entführt oder sonst einen Skandal verursacht, kann man sicher sein, dass man es auf die erste Seite schafft. Doch bei allem Zynismus verweist dies auf die Funktion der Medien. Sie präsentieren Informationen, die auf die eine oder andere Art relevant sind. Gefahren und Gefahrenabwehr stehen sicher weit oben auf der Liste. Wenn eine Botschaft relevant und darüber hinaus noch bedeutsam fürs Handeln ist, kann dies hilfreich sein. Wichtig ist auch, dass man Anschlusskommunikation bieten und dass man neue Argumente in eine laufende Debatte einbringen kann. Vor allem der lokale Bezug ist hierbei relevant. Auch wenn eine Katastrophe weit weg passiert, stellt sich doch immer wieder die Frage: „Was bedeutet dies für uns?“, „Sind wir vorbereitet?“
Dabei sollte man sich jedoch vergegenwärtigen, dass eine Medienpräsenz – gerade für die Forschung zum Thema Nachhaltigkeit – nicht verpflichtend sein muss, vor allem, wenn die vermeintliche Zielgruppe dort nicht anzutreffen ist. Nicht immer steht der Nutzwert einer Mediennachricht für den Zuschauer bewusst im Vordergrund. Häufig wollen Zuschauer einfach nur unterhalten werden und entspannen, wobei sie in dieser Haltung aber offener sind für neue Argumente und Sichtweisen.
Mit weiteren Medien-Mythen aufgeräumt werden. Ein weit verbreiteter Mythos betrifft die Wirkung der Massenmedien. Medien funktionieren nicht nach Reiz-Reaktions-Mechanismen. Mediennutzer sind keine willenlosen Zombies, die alles tun, was ihnen „die Medien“ sagen. Ein Argument für diese Sichtweise ist, dass es schließlich viele Kanäle, viele Sender und viele Printmedien gibt, die alle mehr oder minder unterschiedlich berichten. Wo es Meinungsvielfalt gibt, kann Propaganda nicht wirken. Eine weitere Begründung ist, dass Botschaften lediglich Kommunikationsangebote sind, die angenommen oder abgelehnt werden können. Die Rezipienten entscheiden nicht nur, ob sie sich bestimmten Medieninhalten zuwenden, sondern auch wie sie diese verstehen wollen und was sie mit den Informationen machen. Dennoch ist es wichtig im Rahmen der öffentlichen Debatte präsent zu sein, denn die wirklich einzige Möglichkeit, dass man nicht wahrgenommen wird ist, dass man sich der Debatte verweigert.
Um Medien besser zu verstehen, muss man auch deren unterschiedliche Rollen begreifen. Je nach Medium ergeben sich spezifische Ansprüche durch die Journalisten und Konsequenzen für die Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen. Diese lassen sich schlagwortartig zusammenfassen:
- Tageszeitungen – vor allem die vielen regionalen – gehören zu den weithin unterschätzten Medien. Dabei liefern sie neben aktuellen Nachrichten eine Ebene, die in den unmittelbaren Medien Fernsehen und Radio weit weniger ausgeprägt ist, nämlich Reflexion und Kommentar. Journalisten übermitteln hier nicht nur Fakten, sondern sind auch bemüht, diese einzuordnen und Konsequenzen für die Leser erfahrbar zu machen. Um das Interesse der Journalisten einer regionalen Zeitung zu erregen, müssen vor allem regionale Bezüge klar werden. Zu jedem nationalen und internationalen Ereignis, stellen sie die Frage: „Was bedeutet dies für uns vor Ort?“ Gerade Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen können sich das zu Nutze machen und Anschlussdiskussion bieten.
- Zeitschriften sind in ihrer Zielgruppe deutlicher differenziert als bei täglich erscheinenden Zeitungen: Ihre Leser sind Menschen, die auf unterschiedlichem Niveau an einem Thema interessiert sind. Die Liste wäre endlos: Computer, Blumen, Kameras, Psychologie, Natur, Fußball, Kinder. Ein spezifisches Fachpublikum kann jeweils erreicht werden. Hier sind Angebote zu machen, die Relevanz für diese Experten, Spezialisten oder Liebhaber haben.
- Fernsehen ist in seiner Medienspezifik unmittelbar visuell und damit emotionalisierend, was wiederum besondere Produktionsweisen erfordert. Kurz gesagt: Es muss Dinge geben, die sich bewegen. Sozialwissenschaftliche Themen sind oft schwerer zu visualisieren als naturwissenschaftliche Experimente, bei denen sich Effekte mit der Kamera einfangen lassen. Die Chancen ins Fernsehen zu kommen steigen, wenn man attraktive Bilder anbieten kann. Doch auch soziale Themen sind visualisier- und emotionalisierbar und können sehr erfolgreich sein.
- Das Radio ist immer noch – das wird aufgrund der scheinbaren Dominanz des Fernsehens vergessen – das meist genutzte Medium. Durch den relativ geringen Aufwand der Produktion, ist es auch ein schnelles Medium, das spontan auf Ereignisse reagieren kann. Gleichzeitig ist es auch im Vergleich zum TV ein offenes Medium. Es lässt sich oft mehr Zeit, die Akteure zu Wort kommen zu lassen. Sind es im TV oft nur wenige Sekunden, in denen man etwas sagen kann, bleibt im Radio mehr Zeit, sich und seine Argumente zu präsentieren. Dabei sind die Anforderungen an die Fähigkeiten zur anschaulichen Wiedergabe in Audio-Medien sehr hoch. Wenn der visuelle Kanal fehlt, muss der akustische umso mehr für die lebhafte Vorstellung sorgen. Der Klang einer Stimme oder die lebhafte Erzählweise sind Kriterien, die für Radio-Journalisten relevant sind.
- Das Internet ist aus Sicht von Projekten und wissenschaftlichen Einrichtungen von größter Bedeutung. Zum einen kommen sie über die WWW-Seiten der Institution hier selbst ungefiltert zu Wort und können damit ihre Kommunikationsangebote am besten kontrollieren. Zum anderen ist mit diesem Medium der Kontakt zum Rezipienten gut zu gestalten. Interessierte Kunden, potenzielle Partner oder wissenschaftliche Kollegen können sich per E-Mail melden. Schließlich ist das Internet ein wichtiges Anschluss-Medium. Wenn jemand auf ein Thema durch die anderen Massenmedien TV, Radio, Zeitung oder Zeitschrift aufmerksam wurde, und nach mehr Informationen sucht, wird er im Internet weiter suchen. Das Internet als Pull-Medium bietet dazu die Möglichkeit. Voraussetzung ist, dass die Internet-Präsenz entsprechend gut ist. Das heißt: Die Aufbereitung der Informationen muss so gestaltet sein, dass sie mit entsprechenden Begriffen gut zu googeln sind. Die Angaben müssen natürlich aktuell sein und die angegebenen Kontakte müssen reagieren.
Auf die Unterschiede zwischen Fachpublikationen und den übrigen Massenmedien sei hingewiesen. Bei wissenschaftlicher Literatur geht es einzig um Wahrheit und Wirklichkeit im Sinn der wissenschaftlichen Methodik. Dies wird zum Beispiel durch so genannte Peer-Review-Verfahren sichergestellt, bei denen Experten vor einer Veröffentlichung die Gedanken, Ideen und Ergebnisse des Kollegen kritisch begutachten. Erst wenn ein Projekt diese Hürde überspringt, wird es für den wissenschaftlichen Diskurs frei gegeben. Dafür gibt es vor allem in den empirischen Wissenschaften klare und nachvollziehbare Kriterien. Die Hypothesen müssen deutlich formuliert sein, die angemessenen Methoden müssen sauber angewendet sein, die statistischen Auswertungen müssen nachvollziehbar sein und alle wesentlichen Kennzahlen signifikante Werte besitzen. Die Ableitungen und Interpretationen dürfen nie über das hinausgehen, was in den Hypothesen angedeutet wurde. Es kann nur das dargestellt werden, was sich mit großer Verlässlichkeit nachweisen lässt. Wissenschaft zeichnet sich also in diesem Kontext durch strikte Zurückhaltung aus.
Demgegenüber geht es bei vielen Massenmedien einerseits darum, möglichst viele Menschen zu erreichen und anderseits um Sinn, Bedeutung und Emotionalität. Wo Wissenschaftler beweisen müssen, reicht es bei Journalisten oftmals zu behaupten. Nachweise müssen sie nicht erbringen. Dies mag den Eindruck erwecken, dass man dadurch dem Primat der Massentauglichkeit der Simplifizierung unterworfen ist. Wissenschaft und Journalismus scheinen unverträglich zu sein. Dies kann so weit gehen, dass sich manche Forscher geradezu weigern, mit Journalisten zu sprechen oder sie bei Tagungen einzuladen. Sie fürchten, dass sie falsch oder zumindest verkürzt und missverständlich dargestellt werden. Auch die Sorge, wie andere Forscher die Nase rümpfen könnten über Kollegen, die öffentlichkeitswirksam im Fernsehen auftreten, bewegt manche dazu, den Kontakt zu Redaktionen zu meiden. Die Angst vor dem scheinbaren Kontrollverlust führt zur Verweigerung. Dabei ist es tatsächlich meist der Fall, dass von den vielen Statements, die man abgibt nur ein oder zwei Sätze in der ausgestrahlten oder gedruckten Version auftauchen. Dabei muss man sich klar machen, dass Wissenschaft und Journalismus sehr unterschiedliche Funktionen haben. Das eine ist die wissenschaftliche Debatte, das andere die öffentliche. Beide Bereiche haben jeweils ihre eigenen Regeln und beide Bereiche haben ihre eigenen Sprachen, Themenaufbereitungen und emotionale Ansprachen. Wenn man sich diese Unterschiede bewusst macht, kann man sich mit großer Gelassenheit in beiden Welten bewegen und bei unterschiedlichen Gruppen kommunikativ ankommen.
Wer viele Menschen erreichen möchte, muss sich auch verständlich machen und muss seine Argumente gezielt vorbringen. Thomas Leif, Chefreporter beim SWR, Gründer und Vorsitzender des „Netzwerks Recherche“ rät – gerade auch den wissenschaftlich arbeitenden Nachhaltigkeitsakteuren – die Komplexität ihrer Forschungsergebnisse zu reduzieren und zu visualisieren, um von TV-Journalisten wahrgenommen und verstanden zu werden. Die folgenden Thesen von Leif konnten in balance[f] bestätigt werden:
Der Stoff muss einfach und eingängig sein, komplizierte Sinnzusammenhänge haben keine Chance. Es gibt ein Bedürfnis nach orientierender Verdichtung, die einen aus dem diffusen Overkill von News und Entertainment in einen sicheren Hafen der klaren Information führt. Stoffe, die sich dazu nicht eignen, fallen durch die vorgegebenen Raster. Nur wenn Bilder vorliegen, besteht eine Chance, in das Leitmedium TV und die zunehmend bildorientierten Zeitungen zu kommen. Die visuellen Experimente des Tagesspiegel und der Welt, die mit großflächigen Fotos arbeiten, prägen wohl den Zukunftstrend. Das Motto „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ oder „Einmal sehen, ist besser als 100 Mal hören“ (Mao) illustriert die Macht der Bilder. Hier ist auch die Inszenierungsgefahr angelegt, da durch die Ausweitung der elektronischen Medien die Bildergier grenzenlos wächst. Es geht in der Politik laut zunehmend darum, „Bilder für Bildermacher“ zu organisieren. Wenn es keine Bilder gibt, fällt auch die Geschichte aus (Leif 2004: 41).
3. Medien und Emotionen
Die Rolle der Emotionalität bei der Informationsvermittlung ist näher zu betrachten. Denn sie spielt – wie man heute weiß – bei der Entscheidungsfindung eine erhebliche Rolle. Persönliche Relevanz und positive Emotionen sind Theoreme des Ecotainment-Ansatzes, die in zukünftiger Pressearbeit ausgebaut werden können.
Der angedeutete Hinweis, dass man sich einmal andere Bereiche der Überzeugungskommunikation anschauen sollte, um an deren Strategien zu lernen, soll nun vertieft werden. Werbung ist ein Bereich, der ganz zentral mit Handlungsmotivation zu tun hat, denn immerhin sollen Menschen dazu veranlasst werden, Geld für Produkte und Dienstleistungen auszugeben. Werbebotschaften sind heutzutage keine plumpen Aufforderungen, sondern liefern mitunter komplexe und emotional aufgeladene Argumente. Lernen von der Werbung erfordert demnach eine Zuwendung zum emotionalen Gehalt der Botschaft. Dabei muss ein neues Verständnis von Emotionen entwickelt werden. Es sind keine dumpfen Triebe, die egoistisch auf unmittelbare Befriedigung drängen, sondern sie haben eine rationale Funktion. Emotionen kann man beschreiben als Filter, die alles bewerten, was Wahrnehmung und Imagination an Reizen anbietet. Eine erste Stufe des Filters entscheidet über die Relevanz des Wahrgenommenen. Wenn eine Beschäftigung als sinnvoll erachtet wird, kommt es zu einer Bewertung. Diese empfinden wir als Emotion. Negative Bewertungen kommen aufgrund von Bedrohungen zustande, die wir als Angst, Ekel, Wut oder Trauer empfinden. Positive Bewertungen erleben wir als Freude und Spaß.
An dieser Stelle ist eine Beschäftigung mit den positiven Emotionen von besonderem Interesse. Einerseits gehört es zur traditionellen Argumentationsstrategie der Umweltberichterstattung, dass mit negativen Angst und Schreckensszenarien gearbeitet wird. Weltuntergangsstimmung verbreitet sich leicht, wenn man diesen Berichten folgt. Andererseits nutzt Werbung negative Emotionen äußerst selten. Gute Laune und freundliche Menschen scheinen zu dominieren. Der Grund liegt in der Intention der Werbung. Die Werbetreibenden wollen eine Wirkung im Sinne einer Überzeugungs- und Verhaltensänderung erzeugen, dazu eignen sich positive Emotionen besser. Auch Angst ist ein starker Motivator fürs Lernen. Doch Angst fördert Reiz-Reaktions-Lernen, das wenig Spielraum für Freiheit im Handeln lässt. Angst führt eher zu Verhaltensvermeidung als zu Handlungsimpulsen. Positive Emotionen hingegen fördern Eigeninitiative und Engagement – und letztlich das Handeln wollen. Glückliche Menschen sind zudem weniger kritisch – immerhin ist ja alles in bester Ordnung – und damit auch zugänglicher für Informationen. Unglückliche sollten etwas ändern und wägen darum jede neue Information kritischer ab. Da es ein Ziel der Nachhaltigkeitskommunikation sein sollte, Menschen zu erreichen, ist eine offene Grundstimmung bei den Rezipienten von Vorteil. Diese lässt sich mit Lösungsorientierung und individueller Ansprache besser erreichen als mit den mittlerweile abgedroschenen Klischeebildern negativer Bedrohungsszenarien. Will man von der Werbung lernen, ist dies eine Botschaft: Will man Menschen erreichen und sie zum selbstbestimmten Handeln bewegen, darf man ihnen keine Angst machen. Eine Meta-Studie von Hullett (2005) bestätigt, dass Rezipienten von Persuasionsbotschaften motiviert scheinen, eine positive Stimmung zu erreichen oder zu erhalten. Auch ein aktueller Forschungsüberblick von Crano und Prislin (2006) belegt diesen Zusammenhang.
Es ist auch bekannt, dass eine Vielzahl von Entscheidungen im Alltag aufgrund ästhetisch-emotionaler Einschätzungen gefällt werden. Wir entscheiden uns für das, was uns gefällt. Obgleich Geschmack sehr subjektiv ist, gehört die Beschäftigung mit Ästhetik und die Kommunikation über Vorlieben zu den zentralen Themen. Viele Aktivitäten wie die Ausstattung und Gestaltung von Heim und Arbeitsplatz, von Kleidung und Haartracht, von Freizeit und Urlaub, von Lesestoffen, von Film, Fernsehen und Musik werden nach ästhetischen Kriterien ausgewählt. Produkte wie Autos, Kleidung, Möbel werden auf dieser Basis bewertet (Holbrook & Schindler 1994, 2003). Das Urteil über den ästhetischen Wert einer Sache ist der Introspektion nicht zugänglich. Es scheint weder aus einem Wissen über Prinzipien, Proportionen oder Ursachen, noch aus der Nützlichkeit oder Funktion zu entspringen. Das Urteil fällt schnell und leicht. Das ästhetische Erlebnis ist affektiv, das heißt spontan, intuitiv und produziert Gefühle und Stimmungen, die sehr tief sein können. Ein bewusstes Reflektieren darüber fehlt jedoch weitgehend. Gefühle leiten das Handeln. All dies belegt die Relevanz der Emotionen, diese dürfen darum aus der strategischen Kommunikation nicht ausgeklammert werden. Man kann daraus nun nicht schließen, dass hier für eine Emotionalisierung zu Lasten von Information argumentiert wird. Information und Unterhaltung sind keine Extrempunkte auf einer Linie und somit auch keine Gegensätze. Eine Botschaft, die einen hohen Informationswert hat, muss damit kein niedriges Unterhaltungsangebot haben. Die Vorstellung, dass man sich Information nur unter Mühen aneignen kann, ist falsch. Jede Information – sofern sie Relevanz besitzt – muss bewertet werden und die Bewertung ist die Aufgabe der Emotionen. Aus diesem Grund muss man sich von dem Gedanken, dass zwischen Information und Unterhaltung ein Widerspruch besteht, verabschieden.
Fazit
Allgemein verfährt die massenwirksame Presse nach dem Grundsatz: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ Das bedeutet für die Kommunikation der Projekte zweierlei: Das Publikum muss erreicht werden unter der Maßgabe, dass es auswählt, welchen Informationen es sich zuwendet, und zweitens müssen diese Informationen einen Wert für jeden Einzelnen darstellen. Dass Wissenschaftsthemen nicht nur informativ, sondern gleichzeitig auch unterhaltend massenmedial präsentiert werden können, führt zu einer Steigerung der Popularität der wissenschaftlichen Themen insbesondere sogar bei eher bildungsfernen Zuschauern.
Literatur
Clemens Schwender (UMC Potsdam)
Clemens Schwender, Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der UMC Potsdam (FH), Jahrgang 1956, Studium der Germanistik, Philosophie, Psychologie und Medienwissenschaft an der TU Berlin. Er promovierte über die Geschichte der Technischen Dokumentation und habilitierte über Medien und Emotionen. Im Rahmen von balance[f] betrachtet er die Auswirkungen von TV-Beiträgen und -Werbung auf individuelles Wissen, auf Einstellungen und Emotionen sowie deren Effekte auf die öffentliche Debatte.
Martin Kreeb (UMC Potsdam)
Martin Kreeb, Professor für Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement an der UMC Potsdam (FH), Jahrgang 1968, Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Umweltmanagement in Hohenheim, St. Gallen (CH) und Witten/Herdecke, Promotion über die betriebswirtschaftlichen Instrumente eines integrativen Nachhaltigkeitscontrollings. Er initiierte zahlreiche Forschungsprojekte im Bereich des nachhaltigen Wirtschaftens mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Als Geschäftsführer des Forschungsprojekts balance[f] koordinierte er den Projektverbund.