Es sind Geschichten, die Geschichte machen . . .
Pierre Brice als etwas gealteter Winnetou im sauerländischen Elspe Foto: Elke Wetzig/CC-BY-SA
Denken wir an unsere Kindheit, so sind die eindrucksvollsten Erinnerungen oft nicht die Abenteuer, die wir selbst erlebt haben, sondern diejenigen, die uns erzählt wurden – als Märchen, Erzählungen unserer Eltern oder Großeltern, Geschichten aus Büchern, von Filmen oder Computerspielen . . . Helden und Schurken, Vorbilder und ihre Gegenteile, Wertvorstellungen und Vorurteile: Meist stammen sie aus Geschichten, die uns fasziniert und geprägt haben.
Wenn ich zurückdenke, woher ich meine ersten ökologischen Inspirationen in der Kindheit erhielt, so waren das, glaube ich, die Erzählungen aus dem „wilden Westen“: ob in Büchern von Karl May, in TV-Serien wie Fury oder den Winnetou-Filmen mit dem jüngst verstorbenen Pierre Brice. Diese Kombination aus Freiheitsdrang, Mut, Verbundenheit mit und Respekt vor der Natur und hohem Gerechtigkeitsempfinden hat mich fasziniert und meine Sicht auf die Welt bereits als Kind geprägt.
Und welches sind die heutigen Leitfiguren, die Erzählungen, mit denen wir unsere Kinder – und uns selbst – sensibilisieren für eine gesellschaftliche Transformation, für eine grundlegende Änderung unseres Lebensstils?
Keine Erzählung für den Klimawandel?
In einem lesenswerten Beitrag für die F.A.Z. vom 13.05.2015 hat Jochim Müller-Jung die Frage aufgeworfen, wie man angesichts der Vielschichtigkeit und der gewaltigen Dimensionen des Problems die Klimafrage so kommunizieren könne, dass damit auch die Notwendigkeiten einer tatsächlichen gesellschaftlichen (und individuellen) Umsteuerung in verschiedensten Bereichen deutlich werden. „Uns fehlen noch immer die Narrative“, zitiert er den Soziologen Ortwin Renn von der Universität Stuttgart.
„Gleich, ob man den Kampf gegen den Klimawandel als ökonomische Chance, als ökologisches Endzeitszenario, als Gerechtigkeitskampf zwischen Nord und Süd oder am Ende als Schlusspunkt des kapitalistischen Systems erzählt, es sei immer noch enorm schwierig, die Dinge so begreiflich zu machen, dass radikale Klimaschutzmaßnahmen genügend attraktiv sind.“
Geschichten aus dem Alltag
Doch könnte die Suche nach DEN Narrativen, die einer gesellschaftlichen Transformation Ausdruck und Überzeugungskraft verleihen, vergeblich sein. Womöglich sind es eher die vielen kleinen Erzählungen, die Geschichten aus dem persönlichen Alltag, die verändernd wirken – und einem zumindest das Gefühl geben, das Richtige zu tun, selbst wenn man den Klimawandel damit nicht (mehr) aufhalten kann. Einige davon finden sich hier in diesem „open book“, das Beiträge, Beispiele, Konzepte und Diskussionsstoff versammelt und alle Interessierten zur Beteiligung einlädt.
Wettbewerbs-Website zum „Storytelling Energiewende“
Andere werden gerade in einem Wettbewerb für persönliche Geschichten zur Energiewende eingesammelt, zu dem noch bis zum 30.08 weitere Beiträge eingereicht werden können.