Filme zum Klimawandel im Berlinale Programm
Im Rahmen der Sektion „NATIVe – A Journey into Indigenous Cinema“, die es seit 2013 auf der Berlinale gibt, fand am 21. Februar von 14:30-17:30 Uhr im Kino Casablanca eine Veranstaltung zum Verhältnis zwischen indigenen Menschen und Klimawandel statt.
Die Veranstaltung „Indigenous Life and Global Climate Change – From Polar Regions to Pacific Islands“ wurde in Kooperation von Berlinale Goes Kiez (es werden Filme in unterschiedlichen Berliner Programmkinos gezeigt), der Helmholtz Klimainitiative (REKLIM) am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung und der DEKRA Hochschule für Medien Berlin durchgeführt. Durch das Programm führten Prof. Rolf Teigler von der DEKRA Hochschule für Medien und Dr. Klaus Grosfeld von REKLIM.
Zu sehen waren zwei studentische dokumentarische Kurzfilme, die die DEKRA Hochschule für Medien mit REKLIM produziert hat. In „Friesengeist“ (2014) geht es um die drittgrößte nordfriesische Insel Pellworm und darum, wie stark das Überleben des Eilandes von den Deichen abhängig ist. „Vernagt“ führt uns zum Gletscher Vernagtferner in den Öztaler Alpen in Tirol und der Forschungsarbeit einer Studentin, die von Dr. Ludwig Braun (Bayrische Akademie der Wissenschaften) betreut wird. „Vernagt“ wurde 2017 auch auf dem GreenMe Global Festival for Sustainabilty gezeigt (das Festival sollte auch dieses Jahr vom 29. Januar bis 4. Februar stattfinden, wurde aber abgesagt bzw. auf den Sommer verschoben). Der Kameramann und Editor des Films war anwesend und erzählte gemeinsam mit dem ebenfalls anwesenden Dr. Braun von ihren Erfahrungen während der Dreharbeiten. Der bereits im Film sehr sympathisch und engagiert auftretetende Dr. Braun lieferte weitere Informationen zur Rolle des Verschwindens der Gletscher im Kontext des Klimawandels.
Das Gespräch und auch die anschließende Diskussion mit dem Publikum verdeutlichten einige wichtige Aspekte. Einer soll genannt werden. Eine junge Frau äußerte sich besorgt, was sie denn tun könne, um die Gefahr, die vom Schmelzen nicht nur der Gletscher, sondern auch vom Schmelzen des Eises in der Antarktis und in Grönland ausgehe (darum ging es in dem Vortrag ‘Polar ice sheets under climate change: the fingerprints of sleeping giants‘ von Dr. Ingo Sasgen vom Alfred Wegener Institute Helmholtz Centre for Polar and Marine Research) zu bannen. Sie sei ja keine Politikerin. Einmal mehr wird die Machtlosigkeit gerade junger Menschen deutlich, die über ihren Kopf hinweg sich ihrer Zukunft beraubt fühlen. Es wird aber auch deutlich, dass dieser jungen Frau keine Bildung für nachhaltige Entwicklung zuteil wurde. Wie sollte es auch anders sein. BNE steckt noch in den Kinderschuhen. Sonst hätte die junge Frau Optionen erkannt, wie sie mit einem Wissen zu einem Gletscher, dessen voranschreitendes Verschwinden zunächst mal keine Auswirkungen auf ihr Leben zu haben scheint, umgehen könnte.
So spannend die Diskussion phasenweise war, sie lieferte aber kaum die angekündigten „wissenschaftlichen Beiträge zu filmischen Narrativen“. Einmal mehr muss darauf hingewiesen werden (auf der N1 Konferenz „Nachhaltig(keit – Lernen durch Erzählungen“ wurde dies explizit thematisert), dass der Begriff „Narrativ“ mit mehr Vorsicht zu behandeln ist. In der Umweltkommunikation wie auch in der Sozial- und und Kulturanthropologie ist mit Narrativ etwas anderes gemeint, nämlich eine sinnstiftende Erzählung, die allgemeine gesellschaftliche Werte und Normen zum Ausdruck bringen. Ein Dokumentarfilm über eine Forschungsarbeit zu einem Gletscher ist kein Narrativ, auch wenn es sich um eine dokumentarische Erzählung handelt, die sich durch Narrativität auszeichnet.
Der angekündigte Fokus auf den sich „durch die globale Erwärmung rapide verschlechternden Lebensbedingungen der Bewohner der Pazifikinseln“ wurde leider nicht eingelöst. Dies deutete sich allerdings bereits im Programm an. Der einzige passende Programmpunkt war Prof. Teiglers Gespräch mit Flora Devatine, einer bekannten Autorin aus Tahiti, die in „Ma’ohi nui, au coeur de l’ocean mon“ von Annick Ghijzelings, der im NATIVe-Programm der Berlinale lief, als Erzählstimme mitwirkt. Flora Devatine ist eine beeindruckende Persönlichkeit, doch hatte sie sich, wie sie selbst sagte, bis zur Einladung zu dieser Gesprächsrunde mit den Auswirkungen des Klimawandels (Ansteigen der Meeresspiegel) auf Tahiti noch gar nicht auseinandergesetzt. Wenig überraschend wurde über das Thema dann kaum gesprochen und es war auch kaum Gelegenheit, das Publikum einzubeziehen.
So gelang es der sehr begrüßenswerten Veranstaltung leider nicht wirklich, einen wichtigen Beitrag zum Thema „Indigenous Life and Global Climate Change“ zu liefern. Einem im Berlinale-Special Programm gezeigter Film gelang dies schon eher, „Viaje a los Pueblos Fumigados“ („Reise in die vergifteten Dörfer“) von Fernando E. Solanas, der 2004 den Goldenen Ehrenbären der Berlinale erhalten hatte. Der berühmte argentinische Filmemacher, Aktivist und Politiker, der in den 1970er Jahren wesentlich an der Erneuerung des lateinamerikanischen Kinos beteiligt war, führt uns auf eine Reise in den Norden und Nordosten Argentiniens, wo der Wald dem Anbau von Soja weichen muss (alle zwei Minuten wird ein Hektar Wald vernichtet!). Die skrupellose industrielle Landwirtschaft entzieht den dort lebenden (meist indigenen Menschen) die Lebensgrundlage und vergiftet sie zugleich mit Glyphosat, das rücksichtslos über die Felder gesprüht wird. Mit dem Verschwinden der Wälder ändert sich auch das Klima. Solanas trifft Aktivisten und Wissenschaftler, die sich wehren, Landwirte, die sich zusammentun und beweisen, wie wichtig und produktiv die Bewahrung der Artenvielfalt im Unterschied zur Soja-Monokultur ist. Der Film ist in mehrere Kapitel untergliedert, an deren Ende Projekte stehen, die zeigen, dass es sich lohnt zusammen zu arbeiten, Kollaborationen einzugehen, um der Ausbeutung des Landes durch die industrielle Landwirtschaft die Stirn zu bieten.
Ein weiterer Film über Natives war der im Panorama laufende „Land“ des iranischen Regisseur Babak Jalali. In beeindruckenden Bildern der Kamerafrau Agnès Godard (sie hat sehr lange mit der französischen Regisseurin Claire Denis gearbeitet) wird von der Perspektivlosigkeit der Natives in einem Reservat in den USA erzählt. Es ist einer der seltenen Filme, die den American Natives eine Stimme geben und die desolate Situation einer weiterhin marginalisierten Bevölkerungsgruppe aufzeigen, die ihr Land und ihre Identität verloren und nie wieder zurückbekommen haben.
Text und Fotos: Thomas Klein