Impact-Journalismus: Storytelling für eine bessere Zukunft?

Impact-Journalismus bedeutet einen Wandel journalistischen Arbeitens. Die Bewegung geht dabei weg vom Bestandteil eines Wirtschaftsgewerbes und dessen spezifischer Logik und hin zu einem Zukunftsakteur in gesellschaftlichem (nicht im staatlichen!) Auftrag.“

(Borner und Ronzheimer 2019: 20)

Wie muss Journalismus zukünftig berichten, um den Anforderungen einer von der Klimakrise geprägten Welt gerecht zu werden? Mit dieser Frage setzt sich die Sondierungsstudie „Impact-Journalismus und zielgenaues Storytelling für gesellschaftlichen Wandel“ des KMGNE (Kolleg für Management und Gestaltung nachhaltiger Entwicklung gGmbH) im Auftrag des Umweltbundesamtes auseinander. Impact-Journalismus – das ist erst mal ein abstrakter Begriff. Im Rahmen der Klimakommunikation bedeutet er, Erkenntnisse der Forschung zu Klimakrise und nachhaltigem Wandel für verschiedene Zielgruppen so aufzubereiten, dass sie verständlich werden und zum aktiven Handeln anregen. Also Wirkung entfalten und gleichzeitig ihre Komplexität beibehalten. Die Studie konzentriert sich auf den Ansatz eines zukunftsorientierten Storytellings: Geschichten konkreter Visionen für die Zukunft können emotionalisieren und den Rezipient*innen dabei Möglichkeitsräume aufzeigen. Transmediale Erzählweisen kombinieren dabei verschiedene Bild-, Ton- und Textmedien miteinander und erreichen potentiell möglichst viele und spezifische Zielgruppen.

Aktivismus oder ethische Grundhaltung?

Kritische Ohren könnten hier hellhörig werden: Ein Journalismus, der sich dem Nachhaltigkeitsnarrativ verschreibt und dieses mittels fiktiver Geschichten vermitteln will? Ist eine solche Berichterstattung überhaupt noch seriös, sachlich und objektiv – und entspricht damit journalistischen Gütekriterien?

Bei Impact-Journalismus handelt es sich jedoch nicht um Meinungsmache oder gar Manipulation des Publikums zugunsten persönlicher Interessen der Presse. Es gehe vielmehr darum, Umweltbewusstsein, nachhaltige Entwicklung und Zukunftsorientierung als ethische Grundprinzipien in die journalistische Arbeit zu integrieren – ähnlich, wie Humanität schon immer ein Grundprinzip gewesen sei (vgl. Borner und Ronzheimer 2019: 20). Damit zeigen Medienproduzent*innen durchaus Haltung und beziehen persönlich Stellung, um in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Klimakrise und die Notwendigkeit von Veränderungen zu schaffen. Dafür gibt es aber zwei entscheidende Gründe, die eine solche Schwerpunkt-setzung nicht nur legitimieren, sondern sogar erforderlich machen.

Erstens: Berichterstattung kann niemals vollständige Neutralität und damit Objektivität gewährleisten. Allein durch die Auswahl bestimmter Inhalte nehmen Journalist*innen bereits eine Wertung vor, denn andere Themen lassen sie damit zwangsläufig aus. Selektion ist also ein grundlegender Sinn und Zweck journalistischer Arbeit. Damit stellt sich die Frage, welche Inhalte denn relevant und dringlich genug sind, um sie in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Und damit folgt zweitens: Die Ausrichtung an den Themen Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung orientiert sich am aktuellen Stand der Wissenschaft. In der Klimaforschung herrscht Konsens darüber, dass der Klimawandel menschengemacht sowie bereits im vollen Gange ist. Und, dass schon eine Zwei-Grad-Erhitzung der Erdoberfläche mit verheerenden Folgen für Umwelt, Tier und Mensch einhergeht (vgl. Madry und Fischer 2014). Es herrscht also dringender gesellschaftlicher Handlungsbedarf, sowohl von oben (z.B. durch Politik, Bildung und Wirtschaft) als auch von unten (persönlicher Lebensstil jedes*r Einzelnen, Aktivismus, gemeinnützige Organisationen). Demnach ist es konsequent und logisch, wenn Medien einen Fokus auf die Klimakrise und vor allem auf Optionen einer umfassenden Transformation unseres Zusammenlebens hin zu mehr Klimaschutz setzen.

Konstruktiver Journalismus

Gehen wir zunächst einmal davon aus, dass Medienhäuser und Journalist*innen als unabhängige vierte Gewalt eine Mitverantwortung für die Entwicklung demokratischer Gesellschaften tragen. Dann stellt sich schnell die Frage, wie Berichterstattung zukünftig aussehen kann, um ebendies zu ermöglichen. Eine potentielle Antwort darauf ist der „Konstruktive Journalismus“: So wird ein Ansatz journalistischen Arbeitens bezeichnet, der konstruktive Perspektiven fokussiert – also mögliche Lösungen von sozialen und ökologischen Problemen. Diesem Thema widmete sich zum Beispiel der digitale „Constructive Journalism Day“ 2020 des NDR und der Hamburg Media School (vgl. NDR 2020).

Klassische Berichterstattung im Stil von Breaking News und auch Investigativer Journalismus stürzten sich allzu häufig auf Ausnahmeszenarien wie Katastrophen und Tragödien, ganz nach dem Motto „when it bleeds, it leads“ (NDR 2020), berichtet Bastian Berbner (Journalist bei DIE ZEIT, Gewinner des Deutschen Radiopreises 2020 für seinen Podcast „Hundertachtzig Grad – Geschichten gegen den Hass“). Die Presse konstruiere damit ein negativ verzerrtes Bild von der Welt, in der wir leben. Um dem entgegenzuwirken, müssten Journalist*innen ihre Herangehensweise nicht nur in einzelnen Artikeln, sondern generell erweitern. Neben der Betrachtung von Vergangenheit und Gegenwart sollte es zur systematischen Selbstverständlichkeit werden, auch zu fragen: Was lernen wir aus der Situation? Was können wir besser machen? (vgl. NDR 2020).

Konstruktiver Journalismus wählt also konkret existierende Lösungsbeispiele aus, anhand derer aktuelle Problemlagen analysiert werden. Es gehe nicht darum, die Realität durch eine „rosarote Brille“ (NDR 2020) zu betrachten, sondern darum, die Herausforderungen unserer Gesellschaft aufzuzeigen und gleichzeitig nach möglichen Handlungsoptionen zu suchen (vgl. NDR 2020) – so Ellen Heinrichs (Head Trends & Knowledge bei der Deutschen Welle (vgl. LinkedIn), Fellow am Constructive Institute der Universität Aarhus (vgl. NDR 2020).Was ist also (best)möglich, wohin kann unsere Gesellschaft zukünftig gehen?

Warum Impact-Journalismus?

Impact-Journalismus baut auf den Ansatz konstruktiver, lösungsorientierter Berichterstattung auf. Er geht bei der Fragestellung, wie und welche Geschichten erzählt werden, jedoch noch einen Schritt weiter: Auf aktuelle Probleme verweisend und bessere Zukünfte aufzeigend, will er eine aktive Wirkung bei den Rezipient*innen entfalten – also tatsächliches Handeln anregen:

„In diesem Sinn verfolgt der Impact-Journalismus ein Programm (und nicht nur ein journalistisches Ereignis) in der gesellschaftlichen Kommunikation, das sowohl konkrete Transformationsfelder adressiert als auch die (Hinter)Gründe der Großen Transformation vermittelt. Er will zum informierten Handeln in vulnerablen Strukturen und Situationen hinleiten, will Bewegungen initiieren, begleiten und kommunikativ unterstützen.“

(Borner und Ronzheimer 2019: 25)

Damit geht Impact-Journalismus einem Auftrag zu transformativer Bildung nach, der über den wirtschaftlichen Interessen von Medienunternehmen steht. Gelingen könnte dies z.B. in öffentlich-rechtlichen Strukturen (vgl. Borner und Ronzheimer 2019: 20). Oder in journalistischen Startups, die sich durch Crowdfunding und Mitgliedsbeiträge interessierter Zielgruppen finanzieren. Die Forderung nach Impact meint nicht bloß die Generierung von Reichweite. Das Adressieren und die Aufmerksamkeit bestimmter Akteure sind vielleicht der erste Schritt. Einflussnahme, tatsächlicher Impact geschieht jedoch erst, wenn die Rezipient*innen aufgrund von journalistischen Beiträgen ihre Meinungen und Ansichten hinterfragen, möglicherweise anpassen und daraufhin auch ihr tatsächliches Verhalten verändern (siehe auch hier). Wenn sich neue Haltungen und Lebensweisen in großem Maßstab durchsetzen, also auf verschiedenen Ebenen wie Politik, Wirtschaft und ganzen Gruppen der Zivilbevölkerung, lässt sich von einem gesellschaftlichen Wandel sprechen (vgl. PHINEO 2020).Und genau diesen versucht Impact-Journalismus zu initiieren, zu unterstützen und zu erreichen.

Zukunftsweisendes Storytelling

Wie lassen sich Fakten zur Klimakrise, notwendige und mögliche Klimaschutz-Maßnahmen also anschaulich und handlungsanregend vermitteln? Um die „Große Transformation“ (Borner und Ronzheimer 2019: 41) der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zu gestalten? Auch hiermit beschäftigt sich die Sondierungsstudie. Ihr Vorschlag lautet: Rationale Informationen über Erzählungen vermitteln, die potentielle Zukunftsperspektiven aufzeigen und diese über verschiedene Medien hinweg verbreiten. Es geht also um zukunftsorientiertes, transmediales Storytelling.

Im Klartext bedeutet das, Geschichten zu entwickeln, wie unser Leben in folgenden Zeiten besser aussehen kann. Diese Geschichten sind keine Prognosen, sie sind höchstens Szenarien. Der Zweck besteht darin, sich bereits heute mit kommenden Möglichkeiten auseinanderzusetzen und sich darauf vorzubereiten (vgl. Borner und Ronzheimer 2019: 53-55).Dazu lässt sich einerseits schauen, welche Ideen schon jetzt erprobt werden: Also Formen ökologischer Landwirtschaft, Urban Gardening Projekte, PKW-freie Stadtviertel, kostenloser Nahverkehr, CO2-neutrale Städte, etc… Falls ebensolche Utopien noch nicht existieren, können sie imaginiert und dann von ihnen erzählt werden.

Die konkreten Akteur*innen, Orte und Begebenheiten in Erzählungen geben einen viel greifbareren Einblick in Möglichkeitsräume als reine Daten und Statistiken. Ein solches Storytelling baut also Spannungsbögen, liefert Identifikationspotenzial mit den Protagonist*innen und erzeugt damit Emotionen. Bestenfalls motiviert es zum Handeln (vgl. Borner und Ronzheimer 2019: 37-40).Das bedeutet jedoch nicht, auf wissenschaftliche Zahlen und Fakten zu verzichten. Im Gegenteil, auf diesen kann Impact-Journalismus aufbauen. Auch bei (noch) fiktiven Ideen müssten Journalist*innen deshalb recherchieren, wie die aktuelle Situation de facto aussieht und wie visionäre Ideen tatsächlich umsetzbar wären.

Nicht zuletzt vermitteln Erzählungen Werte und Normen in Bezug auf die Welt. Zum Beispiel die Grundhaltung: Die Lebens- und Wirtschaftsweisen der Menschheit müssen sich grundlegend verändern, damit unser Planet auch für kommende Generationen noch lebenswert bleibt. Damit einhergehend: Jede*r kann einen individuellen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung und zu Klimaschutz leisten. Oder aber: Eine solche Veränderung muss von oben initiiert werden, also von der Politik und der Wirtschaft ausgehend. Je häufiger und intensiver Rezipient*innen (ob nun aus einer Partei, einem Unternehmen oder aus der Zivilbevölkerung) mit neuartigen Blickwinkeln auf die Welt in Berührung kommen, desto mehr haben sie die Möglichkeit, sich mit diesen auseinanderzusetzen und als tatsächliche Alternativen in ihr Denken und Handeln zu integrieren (vgl. Borner und Ronzheimer 2019: 37, 45-50).

Dabei ermöglicht transmediales Storytelling, eine Erzähllinie im Zusammenspiel verschiedener Kanäle zu vermitteln – also über Blogs, Zeitungsartikel, Podcast- und Videoplattformen, genauso wie über Fernsehen oder Radio. Durch diese übergreifende Nutzung verschiedener Medien können Zielgruppen möglichst spezifisch und gleichzeitig möglichst vielfältig und häufig erreicht werden (vgl. Borner und Ronzheimer 2019: 55).

Von der Utopie zum Handeln

Warum berichten Journalist*innen über vergangenes und aktuelles Weltgeschehen? Um über Probleme, Missstände und Katastrophen, aber sicherlich auch um über Erfolge und Erfreuliches aufzuklären. Sinnvoll ist es, bei sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen nicht nur die negativen Aspekte zu kommunizieren – sondern auch auf mögliche Lösungswege zu verweisen. Genau hierfür haben sich Ansätze des Konstruktiven Journalismus in den letzten Jahren verstärkt in der Medienlandschaft etabliert: Dies zeigen Veranstaltungen wie der Constructive Journalism Day des NDR oder Themen des digitalen Journalistentags 2021 des DJV (Deutscher Journalisten-Verband). Genauso Podcasts wie NDR Info Perspektiven, Plattformen wie Perspective Daily und Good News, das Constructive Institute der Universität Aarhus und das internationale Solutions Journalism Network.

Impact, also eine Wirkung, erzielt letztendlich jede journalistische Berichterstattung: Ob diese nun von Gleichgültigkeit, Schock, Empörung, Freude bis hin zu Sinnstiftung, Hinterfragen eigener Ansichten oder der Veränderung des eigenen Handelns reicht. Impact-Journalismus im Sinne der Sondierungsstudie will letztere drei erreichen und vor allem visionäre Möglichkeitsräume eröffnen. Teilweise gibt es auch schon Initiativen, die sich für zukunftsorientierte Berichterstattung im Sinne nachhaltiger und demokratiefördernder Entwicklung einsetzen: Zum Beispiel den Club of Rome, Riffreporter oder auch das Netzwerk Z2X von Zeit Online. Auch Bürger*innenjournalismus bzw. Lokaljournalismus können einen Beitrag dazu leisten, transformative Ideen mit persönlichen Bezugspunkten der ansässigen Bevölkerung zu verknüpfen. Im digitalen Zeitalter stehen Journalist*innen dabei vielfältigste Kommunikationskanäle zur Verfügung. Statt Clickbaiting und Skandaljournalismus können sie diese gezielt dafür nutzen, zukunftsgerichtete Erzählungen zu verbreiten, welche Lösungen für aktuelle Probleme aufzeigen. Also Visionen, die zum Nachdenken und Handeln anregen und damit eine langfristige und tiefgreifende Wirkung erzielen.

Elisa Buhrke | Studentin des M.A. Angewandte Kulturwissenschaft und Kultursemiotik an der Universität Potsdam | Praktikum beim Kolleg für Management und Gestaltung nachhaltiger Entwicklung gGmbH

Kontakt: buhrke1@uni-potsdam.de

Quellenverzeichnis

Borner, J. und Ronzheimer, Manfred (2019): Impact-Journalismus und zielgenaues Storytelling für gesellschaftlichen Wandel. Hrsg.: KMGNE – Kolleg für Management und Gestaltung nachhaltiger Entwicklung, Berlin, URL: http://kmgne.de/wir-machen/publikationen-liste/impact-journalismus-und-zielgenaues-storytelling-fuer-gesellschaftlichen-wandel/?currentpage=1 (Stand: 08.02.2021)

Europäische Kommission: Übereinkommen von Paris, URL: https://ec.europa.eu/clima/policies/international/negotiations/paris_de (Stand: 08.02.2021)

LinkedIn: Ellen Heinrichs, Fellow at Constructive Institute, URL: https://de.linkedin.com/in/ellen-heinrichs (Stand: 04.02.2021)

Madry, Thomas und Fischer, Jonas (2014): Vorhersagbarkeit und Auswirkungen des Klimawandels, Bundeszentrale für politische Bildung, URL: https://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/klimawandel/183026/auswirkungen-des-klimawandels (Stand: 08.02.2021)

NDR (2020):Constructive Journalism Day: Keynotes und Diskussion, URL: https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/Constructive-Journalism-Day-Keynotes-und-Diskussion,journalism100.html (Stand: 04.02.2021)

PHINEO: Welchen Impact hat Non-Profi-Journalismus? – Wirkungsmessung im gemeinnützigen Journalismus, URL: https://www.phineo.org/magazin/non-profit-journalismus-wirkungsmessung (Stand: 04.02.2021)

Beitragsfoto von Markus Winkler von Pexels

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