Leitbilder für die Nachhaltigkeitskommunikation

In der Evangelischen Bildungsstätte Schwanenwerder fand vom 10.-11. Juli 2017 die Tagung „Große Transformation und die Medien“ statt, in der über Alternativen zum Wachstum als Leitbild der Kommunikation gesprochen wurde. Der Wissenschaftsjournalist Manfred Ronzheimer, Dr. Michael Hartmann von der Evangelischen Akademie zu Berlin und Roland Zieschank (Foto) vom Forschungszentrum für Umweltpolitik der FU Berlin, leiteten die Tagung.

Die Tagung gliederte sich in vier Panels (Programm der Tagung):

  • Alternativen zum Wachstum als Leitbild der Moderne
  • Wer erzählt die Geschichten zur Großen Transformation? Beispiele aus Politik, Wissenschaft und Medien
  • Der Wandel in der Medienlandschaft und die neuen Akteure
  • Auf dem Weg zu neuen Erzählungen

Alternativen zum Wachstum als Leitbild der Moderne

Ferdinand Knauß (Wirtschaftswoche) lieferte eine Kurzversion seines Buches Wachstum über Alles? Wie der Journalismus zum Sprachrohr der Ökonomen wurde und legte dar, wie mit dem Wirtschaftswunder der Bundesrepublik Deutschland das Leitbild des Wachstums etabliert und von den einschlägigen Printmedien transportiert wurde. „Die Grenzen des Wachstums“ brachten 1972 einen Bruch, doch mit dem Scheitern des Club of Rome habe die „Konstante des Wachstumsparadigmas bis heute“ begonnen. Danach folgten drei Alternativen: der nationale Wohlfahrtsindex (Roland Zieschank, FU), wie die große Transformation in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft kommuniziert wird (Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzringes) und Erfahrungen mit der Kommunikation integrierter Nachhaltigkeitspolitik in Österreich (Mag. Elisabeth Freytag-Rigler, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft). Überzeugend war Kai Nieberts Vortrag, der immer wieder Beispiele aus dem Privatleben in seinen Vortrag integrierte. Etwa wie Märchen, die er mit seinen Kindern liest, als Erzählungen über Wünsche der Menschen verstanden werden können. So verweise das Motiv der Siebenmeilenstiefel auf den Wunsch, möglichst schnell und kostengünstig vorwärts zu kommen. Worum es also geht, ist Mobilität und der Wunsch sei durch Billigflieger wie Ryan Air in Erfüllung gegangen. Nachdenkenswert auch seine Vorschläge für neue Begriffe. So könne der mit allerhand negativen Konnotationen belastete Begriff Ökosteuer durch Verschmutzungsabgabe ersetzt werden.

 

Wer erzählt die Geschichten zur Großen Transformation? Beispiele aus Politik, Wissenschaft und Medien

Dagmar Dehner vom Tagesspiegel moderierte nach dem Mittagessen das Panel, wer die Geschichten zur Großen Transformation erzählt. Ihre Aufgabe bestand vor allem darin, rigoroser auf die Einhaltung der Redezeiten zu achten, denn der Zeitplan war am Morgen nahezu aus den Fugen geraten. Eine sehr kurze Behandlung der Umweltbewusstseinsstudie inkl. Mini-Podiumsdiskussion war die Folge. Prof. Dr. Torsten Schäfer (Foto) beharrte auf der ihm zur Verfügung stehenden Zeit, nutzte diese sinnvoll und sprach darüber, wie schwierig die in der Breite noch unbekannten Begriffe Anthropozän und Große Transformation sind. Der Begriff Nachhaltigkeit sei trotz seiner inflationären Verwendung sinnvoll, weil er eine „Dimension“ sei, für einen „universellen Wert“ stehe. Wenn Nachhaltigkeit entsprechend nicht mehr als Thema behandelt werde, verflüchtige sich die Gefahr, im Wettkampf mit anderen Themen den Kürzeren zu ziehen. Wer mehr über Torsten Schäfers Ansätze lesen will, findet ein ausführliches Diskussionspaper auf der von ihm mit initiierten Webseite Grüner Journalismus. Wenig Mut machte im Anschluss Petra Pinzler (Foto) von der Zeit. „Das Anthropozän verpufft, wenn es in die Redaktionen kommt“, meinte sie. Warum andere Themen nicht verpuffen, wäre zu diskutieren, aber der Zeitplan geriet langsam wieder aus den Fugen.

Der Wandel in der Medienlandschaft und die neuen Akteure

Die Journalismustrainerin Eveline Huber moderierte den Nachmittag: Erster Redner zum Wandel in der Medienlandschaft und zu den neuen Akteuren war Dr. Thomas Lief, vom SWR, der per Skype zugeschaltet war. Auch wenn Skype nicht richtig funktionierte (wann funktioniert es eigentlich mal reibungslos?) und einige Worte vom Web verschluckt wurden, war seine grundsätzliche Argumentation doch nachvollziehbar. Ihm folgend ließe sich sagen, dass das Anthropozän eher in die Redaktion gehört als etwa die Böersennachrichten. Es gibt also keine objektivierbaren Gründe, warum Themen – oder mit Torsten Schäfer gesprochen Werthaltungen – in Redaktionen eine Rolle spielen oder nicht. Es folgten Manfred Ronzheimer mit einem Parforceritt durch das von ihm als Schreibwerkstatt erprobte Konzept des partizipativen Journalismus, Christine Wenzl und wie de BUND das Thema Suffzienz in Kommunen kommuniziert und schließlich Prof. Dr. Hermann E. Ott vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und die Kommunikation zur Wachstumswende in Gestalt der Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität (2010-2013) des Deutschen Bundestags und dessen zivilgesellschaftliche Weiterführung im Blog Postwachstum.

Als Abendprogramm wurde das Gespräch über Ernest Callenbachs Zukunftsroman „Ecotopia“ (1974) von einem dramatischen (aber nach dem Abendessen zu erwartenden) Rückgang der Anwesenden im Plenum geprägt, was zur Folge hatte, dass Manfred Ronzheimer in aller Schnelle eine paar Auschnitte aus YouTube Videos mit Callenbach (Material hier) zeigte, Dr. Thomas Klein vom Kolleg für Management und Gestaltung gGmbH ein paar Worte zu möglichen Formen der Adaption verlieren konnte und die Aktivistin und Gründungsmitglied der Grünen, Eva Quistorp (Foto), ein paar Anekdoten über die Bedeutung von Callenbachs Buch für die Umweltbewegung erzählte.

 

Auf dem Weg zu neuen Erzählungen

Moderiert von Manfred Ronzheimer sprachen am zweiten Tag Ole Meinefeld (Foto, re.) von der Heinrich-Böll-Stiftung über die grüne Erzählung, Dr. Joachim Borner vom Kolleg für Management und Gestaltung gGmbH von Innovationen im Bereich Bildung für Nachhaltige Entwicklung sowie Wilfried Kraus vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Diskutiert wurde nun mehrfach, welche Unterscheidung zwischen Frames und Narrativen getroffen wird. Ein Unterschied kann darin gesehen werden, dass für Narrative die Zeit- und Ordnungsstruktur eine größere Rolle spielt. Für eine gute Nachhaltigkeitskommunikation und auch im Bereich BNE – so viel sei hier festgestellt – spielt es eine wesentliche Rolle, dass ein Narrativ deutlich als solches erkennbar wird und nicht im Sinne des Agenda Settings als Framing erscheint.

Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion über „Narrative für die Große Transformation“, mit dem Parl. Staatssekretär a.D. Michael Müller, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden des BUND, Ernst-Christoph Stolper, Christian Füller von der Wochenzeitung Freitag und Manfred Ronzheimer.

Fazit

Die Veranstaltung traf bei den Teilnehmern überwiegend auf positive Resonanz. Moniert wurde, dass zu wenige Frauen und zu wenige jungen Menschen unter den Vortragenden gewesen seien. Ebenfalls verbesserungswürdig seien die Veranstaltungsformate, die zu wenig Raum für konstruktive Diskussionen und Austausch gelassen hätten. Dies sollte tatsächlich bei einer etwaigen Fortsetzung im nächsten Jahr in der Tat Beachtung finden. Weniger Vorträge, mehr Partizipation. Wer für neue Formate in der Wissenschaftskommunikation plädiert, sollte bei den eigenen Tagungen mit gutem Beispiel voran gehen. Die Tagungsbeiträge werden, wie Frau Martina Eick vom Umweltbundesamt mitteilte, publiziert. Man darf gespannt sein.

Thomas Klein

 

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1 Kommentar

  1. Manfred Ronzheimer

    Danke für die kompakte Zusammenfassung. Auch für die Kritikpunkte. (Die interne Verbesserungsliste der Veranstalter ist noch länger). Wichtig wird jetzt sein, aus der Tagung selbst eine Nachhaltigkeit zu entwickeln: die Themen weitertragen, Abwesende einbeziehen, vernetzte Diskursformate benutzen, zu Produkten und Fortschritten kommen.

    Hinweis auch auf diese ausführliche Tagungsbeschreibung von Gerhard Hofmann:

    https://www.solarify.eu/2017/07/12/025-grosse-transformation-und-die-medien/

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