Mangelnde Vorstellungskraft und dominierende Selbstbestätigung

Wir verdrängen den Klimawandel, glauben nur an unsere eigenen Überzeugungen und kümmern uns nur um unseren eigenen Kram. Zwei jüngst veröffentlichte Beiträge machen deutlich, warum das nicht mehr lange funktionieren wird, versuchen aber auch Erklärungen zu finden. Die Schlussfolgerungen müssen wir allerdings wieder einmal selber ziehen.

In der Wochenzeitschrift „der Freitag“ vom 20. Juli 2017 gab es einen bemerkenswerten und gleichzeitig überaus beängstigenden Beitrag des New York Magazine-Redakteurs David Wallace-Wells. Unter der Überschrift „Der Planet schlägt zurück“, im Original als „The Uninhabitable Earth“ nachzulesen, beschreibt er das Zukunftsszenario unseres Planeten angesichts des (ungebremsten) Klimawandels. Bereits die heute noch junge Generation wird schon in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts die dramatischen Veränderungen zu spüren bekommen, die dann das Leben in weiten Teilen dieser Erde existenziell bedrohen werden. Und keiner wird sich diesen Entwicklungen entziehen können.

Mangelnde Vorstellungskraft . . .

Doch blenden wir diese bevorstehende globale Transformation offenbar weitgehend aus. Je größer die Gefahr, so könnte man meinen, desto größer auch die Scheuklappen, diese zu erkennen. „Ganz egal, wie gut informiert Sie sind, ausreichend alarmiert sind Sie nicht“, schreibt Wallace-Wells. „Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ist unsere Kultur mit Zombie-Filmen und Mad-Max-Dystopien immer apokalyptischer geworden. Wenn wir aber die ganz realen Gefahren der Erderhitzung betrachten sollen, leiden wir an einem unglaublichen Mangel an Vorstellungskraft“. Wallace-Wells sieht einen Grund dafür in der „zaghaften Sprache wissenschaftlicher Wahrscheinlichkeiten“, vor allem aber im „Unbehagen, über ein Problem nachzudenken, das nur sehr schwer, wenn nicht unmöglich zu lösen ist. Und ganz einfach die Angst.“

. . . und dominierende Selbstbestätigung

Aber wie ist es zu erklären, dass über vergleichsweise Banalitäten erhitzte öffentliche Debatten geführt werden (etwa über die politische Verantwortung für die Ausschreitungen beim Hamburger G20-Gipfel), existenzielle, umfassende Zukunftsfragen demgegenüber aber weitgehend unterbelichtet bleiben (etwa die globale Verantwortung der G20-Staaten)? Und noch mehr: Zu beobachten ist derzeit vielfach ein Ausblenden von faktischen Entwicklungen und die Bestätigung der lediglich eigenen Überzeugungen, was offenbar insbesondere durch die fragmentierten Teilöffentlichkeiten der sozialen Netwerke im Internet forciert wird. Der Blogger und Filmemacher Mario Sixtus hat dazu gerade eine Dokumentation mit dem Titel „Im Netz der Lügen – Falschmeldungen im Internet“ erstellt (ZDFinfo, 20.07.2017). Er fasst die gewonnenen Einsichten am Schluss seines Films u.a. so zusammen: „Wir klicken und sehen uns nur das an, was unsere Weltanschauung bestätigt. Sollten wir mal aus versehen etwas lesen, was unserer Weltsicht entgegenläuft, so ist das ziemlich egal, denn erstens vergessen wir das sofort wieder und zweitens werden wir das für falsch oder den Autor für unglaubwürdig erklären. (…) Andererseits glauben wir jeden Quatsch, sobald wir ihn nur oft genug oder von verschienen Seiten hören.“ „Was also tun?“

Und was folgt daraus?

Das ist in der Tat wieder mal die entscheidende Frage. (Wie) Können wir dem Verdrängen, Verleugnen und Ausblenden entgegenwirken? Gibt es mediale Erzählformen und Kommunikationsstrategien, die nicht nur die bereits Überzeugten erreichen? Die aufrütteln, ohne lediglich zu verängstigen? Die Mut machen, ohne zu verharmlosen? Die auf die eigene Verantwortung setzen, ohne die Frage, wer für welche Entwicklungen und Missstände verantwortlich ist, auszuklammern?

Friedrich

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