Nachhaltigkeitskommunikation – Eine Reflexion der “Koproduktion” von wissenschaftlicher und künstlerischer Klimakommunikation ( CLIMART-Projekt)

Interview von Joachim Borner mit Laura Sommer von der Universität Trondheim (Norwegen) zu CLIMART, dem im Herbst 2014 gestarteten, internationalen und transdisziplinären Forschungsprojekt, das zum Ziel hat, die psychologischen Effekte von Klimakunst zu untersuchen.

 

JB: Nachhaltigkeits-, nachhaltige oder Transformationskommunikation – welches ist der passende Begriff für die Kommunikation der bzw. mit Zukunft?

LS: Für mich sind alle diese Begriffe gültig. Im Prinzip geht es um die Frage, wie wir nachhaltig die drängenden Themen, auf welche Weise wir den Klimawandel kommunizieren und über diese Kommunikation eine Transformation zu einer low carbon society erreichen können. Kommunikation mit Zukunft oder Kommunikation der Zukunft sollte in erster Linie die verschiedenen natur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen miteinander verbinden sowie Respekt und eine Akzeptanz für multiple Herangehensweisen schaffen. Diese interdisziplinäre Kollaboration wird zwar bereits von vielen Geldgebern gefordert, jedoch stellt es in der wissenschaftlichen Realität noch eine große Herausforderung dar, miteinander zu arbeiten und offen für fachfremde Perspektiven zu sein. Außerdem müssten wir einen anderen Zugang zum Thema Klimawandel schaffen – einen emotionalen, kreativen und persönlichen.

JB: Welche Rolle spielen dabei die Narrative – also die Erzählungen als Kommunikationsform?

LS: Für uns ist es wichtig, aus der Rhetorik des erhobenen Zeigefingers auszubrechen und auf einem kreativen Weg eine positive Zukunft zu beschreiben. Eine Art Utopie, die wir uns alle vorstellen können und die dadurch einen persönlichen Zugang schaffen kann. Das ist der Schlüssel, der Menschen dazu bringt, sich zu beteiligen und eben Teil der Veränderung zu werden.
CLIMART ist der Versuch, komplexe Themen über Formen der Kunst zu erzählen und für den einzelnen zugänglich zu machen. Wir wollen die Menschen berühren und dazu bringen, stehen zu bleiben und selbstständig zu reflektieren: „Was mache ich in meinem Leben? Was mache ich hier gerade in diesem Moment? Was konsumiere ich in meinem Alltag?“ So hoffen wir, dass in ihnen der Wunsch entsteht, sich zu verändern und gleichzeitig das Gefühl, dass sie selbst dazu befähigt sind, zu der Problemlösung beizutragen. In der Psychologie nennen wir das „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“. Sie ist eine wichtige Variable, die zum Wandel im Menschen beiträgt.

JB: Steht die wahrgenommene Verhaltenskontrolle im Zusammenhang mit Selbstwirksamkeit?

LS: Das ist ein eng verwandtes Konzept. Die Aufgabe von Narrativen wäre es nun, diese psychologischen Phänomene praktisch anzusprechen, indem sie Assoziationen herstellen zwischen dem Wissen, das wir sowieso schon haben, und unserem persönlichen Leben. Es gibt schon so viel Wissen – vom IPCC, von naturwissenschaftlichen Disziplinen –, die Fakten liegen alle auf dem Tisch. Aber vielleicht haben wir noch nicht die richtigen Assoziationen gefunden. Mit unserer Klimawandel-Kunst suchen wir die narrativen Hebel, die Menschen über einen emotionaleren Zugang zur Reflexion anzuregen und langfristig zu einer Verhaltensänderung.

JB: Wo auf dem Feld zwischen Medien und Kultur auf der einen und Marketing oder PR auf der anderen Seite würdest du diese Kommunikation einordnen?

LS: Wir wollen nicht verkaufen. Das ist der Unterschied zum Marketing. Wir wollen die Menschen dazu anregen, für sich selber aktiv eine Alternative und eine nachhaltige Kultur zu finden, anstatt passive Konsumenten zu sein. Wir wollen sie dazu bringen, partizipativ in diesen Transformationsprozess einzugreifen und sie zu mündigen Bürgern machen. Und wir glauben, dass sie sich einbringen wollen statt nur etwas vorgegeben zu bekommen, dem sie folgen oder das sie unreflektiert konsumieren.

JB: Du sprichst von mündigen Bürgern im staatspolitischen Sinne. Aber sind sie auch mündig in Bezug auf die Wissenschaften? Nehmen sie also nicht einfach bloß an, was Wissenschaft erzählt, sondern hinterfragen wissenschaftliche Ergebnisse beispielsweise durch ihr Erfahrungswissen?

LS: Ich glaube, die Wissenschaft erfährt häufig genug, dass die Menschen nicht alles glauben, was sie ihnen präsentiert.

JB: Um das Umweltbewusstsein überhaupt anwenden zu können, ist also ein Handlungsbewusstsein nötig. Betrachten wir dabei jedoch auch Menschen, die vollkommen außerhalb des Referenzrahmens von Nachhaltigkeit stehen? Eine entscheidende Frage ist doch, ob wir – gewollt oder ungewollt – nicht immer dieselben Menschen ansprechen. Gibt es für solche Ziele gelungene Beispiele der Kommunikation? Etwa mit der Kunst?

LS: Das Ergebnis der Pilotstudie, die wir im Rahmen unseres Projekts durchgeführt haben, belegt tatsächlich, dass wir leider nur den üblichen Adressatenkreis erreicht haben. Wir haben dabei zwei künstlerische Projekte untersucht, die sich mit dem Thema Klimawandel beschäftigen: eine nachhaltige Designausstellung in Oslo und ein Klimafestival, bei dem eine Art Klima- oder Theaterperformances aufgeführt wurden. Dabei haben wir beobachtet, dass genau die Menschen, die sowieso schon informiert sind, zu solchen Veranstaltungen gehen. Die Organisatoren beider Veranstaltungen hatten sich zuvor auf die Fahne geschrieben, auch Menschen anzusprechen, die mit dem Thema nicht so viel anfangen können. Darin besteht eine große Herausforderung, und ich habe die Hoffnung, dass dies möglich ist, wenn man Klimakunst auf der Straße platziert – dort, wo Menschen nicht daran vorbeigehen können.

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JB: …wo sie nicht kommen müssen oder wo sie kulturelle Erlebnisse traditioneller Art erleben.

LS: So wie auf dem Lollapalooza Festival. Dort wurde der „Grüne Kiez“ als nachhaltiges Modell in das Festivalgelände integriert. So konnte auch der normale Festivalbesucher die NGOs kennenlernen, die nachhaltigen Ideen und Konzepte anschauen und sich inspirieren lassen. Auf welche Weise dies funktionieren kann, zeigt das praktische Beispiel von den Ökotoiletten: Wenn der Andrang bei den normalen Toiletten zu groß ist, geht jeder mal auf diese Holzbox und einige waren richtig begeistert. Sie hätten noch nie so ein sauberes Dixi gesehen wie diese Ökotoilette. Vielleicht lässt sich das auch auf andere Dinge übertragen. Wir untersuchen gerade, wie die Menschen das Festival erlebt haben und welche Unterschiede sich zeigen zwischen denen, die sich den „Grünen Kiez“ angeschaut haben und den Festivalbesuchern, die den „Grünen Kiez“ nicht wahrgenommen haben. Ich bin gespannt darauf, was die Auswertungen zeigen.

JB: Das ist ein gutes Beispiel, das zeigt, wo NGOs – vielleicht auch in kreativen Lernprozessen – noch hinkommen müssen. Klassischerweise läuft es noch so ab, dass diese teilweise sehr ernsthaften, an der Weltrettung beteiligten Menschen bei einem Musikfestival oder Event auftauchen und Flyer verteilen. So ist der Zugang zum Publikum oder der Dialog schwer zu erreichen. In Bezug auf die Wissenschaftskommunikation und den Zugang zu Wissenschaft haben wir Organisationsentwicklungsprobleme. Betrachtet man NGOs wie den BUND und NABU sind diese zwar hochgradig strukturiert, jedoch hat dort niemand etwas mit Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im Sinne eines Beitrags zum „robusten Wissen am Hut. Hier muss umgedacht werden und es müssen Leute eingestellt werden, die das professionalisieren.

LS: Wie die Wissenschaftskommunikation in den deutschen NGOs genau aussieht, kann ich schlecht einschätzen, dafür bin ich, vor allem geographisch, nicht nah genug dran. Im wissenschaftlichen Bereich und internationalen Kontext wird Dissemination immer mehr gefordert und gefördert. Und natürlich findet eine gut aufgemachte Broschüre mehr Aufmerksamkeit und Leser. Man muss aber auch betrachten, dass sich Journalisten mit den wissenschaftlichen Arbeiten differenziert auseinandersetzen müssen anstatt alles nur noch herunter zu brechen. Einige meiner Freunde arbeiten im Bereich Wissenschaftsjournalismus und daher weiß ich, dass viele für ihre Recherche bei einem Paper nie weiter lesen als den Abstract. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich das nicht genug finde – ich weiß deren Arbeit sehr zu schätzen – ich glaube nur, dass es schwer ist, in der Informationsflut ein Gleichgewicht zu finden zwischen Tiefe an Information und notwendigen Verallgemeinerungen. Immerhin soll der Artikel ja spannend bleiben, um nicht das Interesse der Leserin oder des Lesers zu verlieren.

JB: Das ist noch eine eigene Sache.

LS: Ich glaube, für Wissenschaftler ist es schwierig bis unmöglich ihre Arbeit so herunter zu brechen, dass sie auf einen Flyer oder in eine Broschüre passt. Die komplexen Zusammenhänge und Fakten verlaufen so in einer Banalität, welche statistische Ungenauigkeiten gar nicht mehr darstellen kann. Dadurch werden am Ende Aussagen vermittelt, die von der Wissenschaft nicht belegt werden können. Am Wochenende habe ich zum Beispiel einen Flyer von OXFAM gesehen, der zum Thema Kohlekraftwerke die Botschaft vermittelt „Kohle stürzt Menschen in Armut“. Fakt ist, wir haben Kohlekraftwerke in Deutschland und Menschen, die in Bangladesh verarmen, weil ihnen verstärkter Monsunregen ihr Zuhause genommen hat, aber der kausale Zusammenhang ist wissenschaftlich so nicht richtig! Es ist zu einfach zu sagen: Kohle befeuert den Klimawandel und der Klimawandel tötet dann Menschen in Bangladesch, die von dem Meeresspiegel überflutet werden. Und das wollen Wissenschaftler immer vermeiden.

JB: In Deutschland stellt man sich gerade die Frage: Wie populär ist Wissenschaft. Und für wen? Brauchen wir mehr Wissenschaftsjournalisten? Ein Teil des Wissenschaftsrates wendet berechtigt ein, dass Wissenschaftsjournalisten, die für Zeitungen oder Medien schreiben, nicht die Interessen der Wissenschaft vertreten. Sie wollen auch gar nicht immer vermitteln, was Wissenschaft erforscht hat, sondern sie wollen einen Skandal oder einen Widerspruch aufzeigen.

LS: Das müssen sie zwangsläufig, sonst werden sie nicht gekauft.

JB: Ja, das ist die Argumentation, aber es ist auch einfach nicht ihre Aufgabe. Heißt das also, wir müssen Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten näher zusammenbringen? Es scheint, dass gerade bei Prozessen wie dem Klimawandel die Wissenschaften oder wissenschaftlichen Institutionen selbst Kommunikatoren sein müssen. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) begreift das für sich, indem es klar differenziert zwischen der Kommunikation in der wissenschaftlichen Disziplin, die haarscharf und genau ist, und der Kommunikation für die Öffentlichkeit in einem Blog. So kann ich beides nicht vermischen. Wissenschaftskommunikation hat auch noch eine dritte Dimension, nämlich in der Funktion die Politik zu beraten. Dies kann natürlich nur in dem Sinne geschehen, dass ich meine wissenschaftlichen Ergebnisse vorlege und daraus mögliche Schlüsse ziehe, die dann Grundlage für politische Entscheidungen sein können.

LS: Auch hier besteht das Problem, wie wissenschaftliche Fakten kommuniziert und auch verstanden werden können von jemandem, der z.B. nicht statistisch geschult ist.

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JB: Doch wie lernt eine Gesellschaft mit Unsicherheit umzugehen? Da genau muss unser Handlungsspielraum liegen: Wo wir das Gegenteil von robustem Wissen, Versicherung und Sicherheit erzeugen. Wie kann so etwas zum Beispiel in Paris – für viele als letzte Chance betrachtet – kommuniziert werden? Wie kann man der Öffentlichkeit klar machen, dass diese Vereinbarung nicht ausreichen wird, den aktuellen Problemen gerecht zu werden? Dass wir bereits das 2-Grad-Ziel verfehlt haben, nachdem in den letzten acht, neun Jahren stetig auf dieses Ziel hinargumentiert wurde: Bloß zwei Grad, danach kommt der Bruch. Mit einem Mal haben wir den Bruch. Wie erzählen wir das den Kindern, ohne dass Hilflosigkeit entsteht? Habt ihr da eine tolle Idee? Hat dort die Kunst eine Chance?

LS: Ich habe nur eine persönliche Meinung dazu. Die Klimaverhandlungen wurden schon vor zehn Jahren an die Wand gefahren und haben seither keinen Fortschritt mehr gebracht. Die Ziele, die festgesetzt wurden, waren relativ einfach erreichbar. Auf die Ziele, die nicht einfach erreichbar waren, hat sich keine Nation festlegen lassen. Das Ganze ist seit den Kyoto-Protokollen und seit Kopenhagen gescheitert. Meiner Meinung nach hätte man die Klimakonferenzen schon lange abblasen können. Politisch erwarte ich mir von dieser Konferenz in Paris nichts mehr. Für eine Sache könnte sie jedoch trotzdem wichtig sein: auf die Straße zu gehen und öffentlich Druck zu machen. Aber auch, um sich mit anderen Aktivisten zu verbünden, zu netzwerken und auszutauschen. Es ist interessant für Grassrootmovements, Aktivisten und für NGOs sich weiter zu vernetzen – vielleicht auch auf einer anderen Bühne – und dann das Scheitern der COP mit öffentlichem Druck auszunutzen, um auf anderen Ebenen Veränderungen hervorzurufen.

JB: Achtung, eine hypothetische Frage: Stelle dir vor, du gehst schlafen und morgen früh wird die Welt so aussehen, wie du es geträumt hast. Was ist dann anders. In welcher Art von globalen, nationalen oder regionalen Kommunikationsprojekten zur Transformation erwartest du den großen Schub, das größte Potential?

LS: Natürlich CLIMART! (lacht) Nein, ich denke natürlich nicht, dass ein einzelnes Projekt zum ersehnten Durchbruch führen wird. Was CLIMART aber tun kann, ist mit einem kreativen Ansatz die Narrative zu erzählen, die ich beschrieben habe und die Menschen dazu anzuregen, sich selbst zu fragen: Was wollen wir, wo wollen wir hin? Was ist Zukunft und in welcher Welt würden wir gern leben? Ich hoffe, dass wir mit CLIMART ein paar interessante Antworten darauf liefern können. Und wenn ich an meine persönliche Traumzukunft denke, dann ist ein zentraler Inhalt für mich der Degrowth-Gedanke, also Ideen und Konzepte für ein Wirtschaften zu finden, das nicht auf kontinuierlichem Wachstum aufgebaut ist. Denn unser aktuelles System wird uns ressourcentechnisch an die Wand fahren. Es ist purer Wahnsinn, was nun mit TTIP auf uns zukommt – noch mehr Marktöffnung, noch mehr Wachstum, um mehr Arbeitsplätze und damit mehr Wohlstand zu schaffen. Das ist für mich aber kein beständiger Wohlstand für viele, sondern ein kurzfristiger Anstieg an Wohlstand für wenige, vor allem in Europa und den USA. Das ist kein nachhaltiges, globales Konzept und negiert absolut Entwicklungen in Schwellenländern und Ländern des globalen Südens. Das Ergebnis werden noch mehr „Wirtschaftsflüchtlinge“ von überall her sein, die wir ja aber nicht haben wollen. Der Weg muss irgendwo zwischen Kapitalismus und kommunistischen Ideen liegen und globale, moderne Entwicklungen berücksichtigen.

JB: Wie könnte man kommunikativ dahin steuern?

LS: Wenn man Menschen vermitteln könnte, dass Verzicht kein Verzicht und Migration eine Bereicherung ist, die zu der globalisierten Welt gehört, in der wir uns im 21 Jahrhundert befinden.

JB: Danke für den Austausch etc.


SommerLaura Sommer ist eine von zwei PhD Kandidatinnen, die bei CLIMart mitarbeiten. She hat einen BA in Psychologie und vertiefte ihr Verständnis von Fragen zu Klima und Natur in einem interdisziplinären und internationalen Master Programm mit dem Titel Global Change Ecology.

 

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2 Kommentare

  1. Helga Sommer

    Sehr sehr interessantes Interview, mit klugen Fragen und ebensolchen
    Antworten!!!

  2. Interessanter Ansatz, ökologisches Denken und Handeln nicht mit dem „erhobenen Zeigefinger“ bewirken zu wollen. Leider fordert dieser Ansatz ein Minimum an Intelligenz und Reflektionsbereitschaft.

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