Narrationen – Arbeitsmarkt – Medien: Perspektiven auf Digitalisierung und Bildung für nachhaltige Entwicklung

Beitragsbild: Map, 2007, installation in public, Aram Bartholl

|| Welche Möglichkeiten bieten sich mit der Digitalisierung für Narrationen und Bilder einer Bildung für nachhaltige Entwicklung? Was können kunst- und medienwissenschaftliche Perspektiven auf die Digitalisierung für die Gestaltung von Lernprozessen beitragen? Auf welchem Stand ist die Digitalisierung der Arbeitswelt und wie wird sie sich weiter mit Blick auf Berufsbilder und -orientierungen entwickeln?

Diesen und weiteren Fragen widmete sich der Workshop „Transformation. Digitalisierung. BNE. Herausforderungen, Leitlinien und Anwendungsfelder“ am 20.11.2018 in Bonn, der als Kooperation des KMGNE mit dem Partnernetzwerk Medien, dem BNE-„Fachforum Non-formales und informelles Lernen/Jugend„ und dem Wissenschaftsladen Bonn in den Räumen der Volkshochschule Bonn veranstaltet wurde.

Einführung durch Friedrich Hagedorn (Foto: Thomas Klein)

Bildung im Internet

Nach einer Einführung durch Friedrich Hagedorn, den aktuellen Sprecher des Partnernetzwerks Medien, stellte Prof. Dr. Torsten Meyer, der am Institut für Kunst und Kunsttheorie der Universität zu Köln Kunst und ihre Didaktik lehrt, in seinem Impulsvortrag „Bildung im Internet – State of Mind“ Ansätze vor, in denen er eine Zukunft der Kopplung von Kunst und Pädagogik formuliert. Dazu zeigte er zunächst an einem Zeitstrahl auf, welche medialen und künstlerischen Wandlungsprozesse in den letzten ca. 500 Jahren stattfanden – Zentralperspektive, Buchdruck, Fotografie bis zu Computer und Internet, um nur wesentliche Stationen zu nennen – und in welchem Verhältnis diese zu Wandlungsprozessen der Bildung stehen, von Luthers Anspruch, die Bibel mittels Buchdruck und Übersetzung allen Menschen zugänglich zu machen, über Wilhelm von Humboldts Bildungsreformen, die Schulpflicht bis in die Gegenwart des digitalen Lernens.

Der Zeitstrahl (© Torsten Meyer)

Diese Ansätze speisen sich aus der „Mediologie“. Dabei handelt es sich um eine medien- und kulturwissenschaftliche Wissenschaftsdisziplin, die in Frankreich mit Régis Debray ihren Ausgang nahm. Mediologie befasst sich mit Medienkultur und erarbeitet Konzepte für die Analyse von Vermittlungsformen von Kultur. Die Mediologie schafft daher auch geeignete analytische Grundlagen für eine mediale Vermittlung des Klimawandels. Wie Torsten Meyer aufzeigte, finden sich zudem wesentliche Anknüpfungspunkte für das Verhältnis von Kunst und Bildung (für eine nachhaltige Entwicklung) in einer zunehmend digitalisierten Welt. Torsten Meyer verwies mit seinem Vortrag auch auf die Bedeutung der ästhetischen Bildung, die in der Bildungsdebatte häufig zu kurz kommt.

Torsten Meyer (Foto: Joachim Borner)

Die „grüne“ digitale Revolution

In ihrer Präsentation „Wie Siri lernt das „Grüne“ zu lieben. Algorithmus im Bilderrausch“ lieferte Susanne Klaar einen visuellen Forecast über die „grüne“ digitale Revolution, Bildung für nachhaltige Entwicklung mit digitalem Assistenten und die Verantwortung von Bildern und Inhalten. Die Digitalisierung verändert die Vermittlung von Lerninhalten, unsere Lernorte und auch die Art und Weise, wie wir Bildung für nachhaltige Entwicklung organisieren. In Zukunft werden visuelle Narrative wichtige Impulse für lebenslanges Lernen geben.

Wir müssen Siri noch reichlich füttern. Ich denke wir haben die Chance und Verantwortung, die Potentiale von BNE systematisch aufzubauen, durch Programmierung zu stärken und damit die Chance alle Menschen zu erreichen, die in digitalen Welten unterwegs sind. Eine vernetzte Kommunikation lebt durch Fragen. Nicht durch Antworten.“ (Susanne Klaar)

 



Die Workshops

Workshop 1: Narration im Digitalen für BNE: Erzähllinien und Erzählformate

Moderation: Dr. Joachim Borner

Im Impulsvortrag von Joachim Borner wurden folgende Zusammenhänge eröffnet:

  • der Zusammenhang zwischen komplexen Gegenständen der Transformation und ihrer Vermittlungsweise
  • Potenziale von Erzählungen für die Handlungsorientierung und Motivierung in Transformationsprozessen
  • digitale Erzählformate, die sich in cross- und transmedialen Strukturen um Podcast/Hörfunk (Kombination Youtube, Podcast, Text) wiederfinden oder im ausdifferenzierten Raum des Digital Storytellings ansiedeln (Scrollytelling, Interaktives Storytelling) oder als „Influencerkultur“ initiieren.
  • Diese Erzählformate sind offen für ihre didaktische Nutzung in Lernprozessen. Sie eignen sich in besonderer Weise für Schüler- und Citizen-Science-Forschungen (Bildungslandschaften).
  • Sie können als Gerüst genutzt werden, um in dieses Details aus Recherchen einzubauen.

In der Diskussion wurden Möglichkeiten erzählerischen Lernens in unterschiedlichen Zugängen beraten:

  • der Einsatz in Gestaltungsprozessen als Dokumentation vom „Handeln zum Wissen“
  • in der Thematisierung des Verhältnisses von individueller Verhaltensänderung und politischem, bürgerschaftlichem Handeln (Ich – Wir)
  • im Erlernen von Erzähltechniken von Episoden, die sich dann zu einer Erzählung „zusammensetzen“ (serieller Ansatz/Youtube).

Bsp. für seriellen Ansatz:

Als Vorteile des erzählerischen Lernens wurden diskutiert:

  • die Möglichkeiten der Betrachtung einer Transformation aus mehreren Perspektiven (entdecken von Zielkonflikten und Nebenfolgen)
  • die Verfolgung eines Prozesses der Veränderung (Veränderung gestalten lernen)
  • die (fiktionale) Beschreibung einer Zukunftsvorstellung (Zukunftsbild), die durch das Handeln angestrebt werden will. Dass dabei Alternativen gedacht werden können (Ausprägung des Möglichkeitssinns), stärkt diese Lernform.

Workshop 2: Digitalisierung der Arbeitswelt: Nachhaltige Berufsbilder, Berufsorientierung und BNE

Moderation: Iken Draeger, Krischan Ostenrath

Im Impulsvortrag von Iken Draeger und Krischan Ostenrath wurde dargestellt, wie die Digitalisierung die Arbeitswelt durchdringt:

  • Kein Trend der Zukunft, sondern schon mittendrin
  • Kein Bereich ist von der Digitalisierung ausgenommen, so dass sich in jedem Berufsfeld spezifische digitale Kompetenzen finden lassen.
  • Viele Arbeitgeber/innen stecken mitten im Veränderungsprozess und suchen Unterstützung
  • Die Digitalisierung verändert Berufsfelder und Kompetenzprofile
  • Digitalisierung im Job
  • Digitalisierung als Job

Für die Diskussion wurden die Fragenkomplexe

  • Digitale Skills für die Transformation
  • Risiken und Chancen der Digitalisierung
  • Einsatz digitaler Medien

vorbereitet.

Digitale Skills für die Transformation

  • Wie verändern sich nachhaltige Berufsfelder im Zuge der Digitalisierung? Welche Risiken sind damit verbunden? (in Hinblick auf den Transformationsprozess hin zu nachhaltigen Arbeitswelt)
  • Welche digitalen Skills werden in den einzelnen Berufsfeldern zukünftig gefordert sein? (Stichwort: Wissen um Inhalte)
  • Welche übergreifenden digitalen Skills werden eine Rolle spielen?
  • Wie können wir diese Skills für die Transformation hin zu einer nachhaltigen Arbeitswelt nutzen? (Stichwort: Transformationsfähigkeit)

Risiken und Chancen der Digitalisierung

  • Welche Risiken und Chancen birgt die Digitalisierung in Hinblick auf die nachhaltige Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen? Wie können wir die Potenziale der Digitalisierung nutzen, um Arbeit nachhaltiger zu gestalten? (Stichwort: gute Arbeit, Nachhaltigkeit am Arbeitsplatz, faire Beschäftigungsverhältnisse, globale Gerechtigkeit)
  • Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich hieraus für die BNE und BBNE? Welche Themen müssen wir in der Berufsorientierung aufgreifen? Welche Chancen können wir aufzeigen? (Stichwort: Gestaltungskompetenz)
    Beispiel: Zeitschrift planet-beruf.de: Alles digital? Ausbildung und Arbeitswelt 4.0 stellt die Chancen der Digitalisierung in den Vordergrund.
  • Welche nachhaltigen Visionen der Arbeitswelt 4.0 können wir beisteuern, um Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit erfahrbar zu machen? (Stichwort: Motivation)

Einsatz digitaler Medien

  • Welche digitalen Medien bzw. Tools eignen sich für die Berufsorientierung? (Stichwort: Jugendmedien, Attraktivität, Motivation)
  • Welche Best Practices gibt es, um über digitale Medien nachhaltige Berufsfelder zu kommunizieren? (Beispiel:  Serena Supergreen)
  • Digitalisierung der Arbeit: Welche Notwendigkeiten für den Einsatz digitaler Medien bzw. Tools ergeben sich für die Berufsorientierung? (Stichwort: digitale Bewerbung, Online-Assessment, Welcher Beruf passt zu mir-Tests)
  • Welche Grenzen hat die digitale Bildung?
Ergebnisse der Diskussion sind in den Artikel von Krischan Ostenrath auf Netzwerk grüne Arbeitswelt eingeflossen.

 

Workshop 3: Medienpraktische Optionen für BNE-Lernprozesse und nachhaltige Mediennutzung: Soziologische Perspektiven durch medienwissenschafliche und -praktische Perspektiven ergänzen

Moderation: Friedrich Hagedorn, Dr. Thomas Klein

In seinem Impuls-Vortrag stellte Thomas Klein medienwissenschaftliche und medienpraktische Perspektiven vor, die dazu geeignet sind, einige Diskussionen zur Digitalisierung zu erhellen.

Aus medienwissenschaftlicher Perspektive

  • Remediatisierung: neue Medien haben sich immer wieder an Formen und Ästhetiken vorheriger Medien angelehnt oder diese sogar übernommen. Folgen wir dem, haben wir heute schon eine umfassende Digitalisierung. Der Kinofilm ist digital, die Fotografie ist digital, das Fernsehen ist digital. Viral Spots (siehe Spot „The Visitor“ des KMGNE) werden im Kontext digitalen Erzählens diskutiert, sind letztlich aber auch Kurzfilme mit demgemäßen narrativen Gestaltungsmöglichkeiten. Das Internet ist in vieler Hinsicht zu einer Remediatisierung anderer Medien geworden.
  • Wenn also jetzt von Digitalisierung im Kontext nachhaltiger Entwicklung und für BNE die Rede ist, muss zuerst geklärt werden, wie sich Digitalisierung jetzt und in der Zukunft gestalten und einsetzen lässt. Hierzu sind Medienkompetenzen (die sich etwa aus der Mediologie speisen, siehe Vortrag Meyer) ebenso gefragt wie Ideen von etwa dem Internet angemessenen Ästhetiken, die für eine adäquate ästhetische Bildung fruchtbar gemacht werden können (z.B. Geert Lovinks Idee einer verteilten Ästhetik).

Aus medienpraktischer Perspektive

  • Durch die Digitalisierung ist das Erstellen audiovisueller und anderer medialer Inhalte leichter geworden. Eine Verschiebung vom Massenmedium mit eher passiven Konsumenten hin zum Massenmedium mit sogenannten Prosumern (Produzenten und Konsumenten gleichzeitig) eröffnet wichtige auch demokratische Möglichkeiten, auch im Bereich der BNE.
  • Das bedeutet aber nicht, dass wir für die Entwicklung medialer Formate und Inhalte keine Medienprofis mehr benötigen. Im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation spielt dies eine wesentliche Rolle. Wenn von neuen Narrativen, großen Erzählungen, neuen Formaten etc. gesprochen wird, dann ist zu beachten, dass daran vor allem diejenigen arbeiten müssen, die dafür ausgebildet wurden.
  • Im günstigsten Falle müssen die Möglichkeiten der digitalen Medien kollaborativ erprobt werden. Hierfür müssen alle Beteiligten aber zunächst einmal die unterschiedlichen Kommunikationsformen und -kulturen beachten und am besten für die Kooperation fruchtbar machen.

Nach diesem Impulsvortrag entwickelte sich eine Diskussion insbesondere zu folgenden Fragen und Aspekten:

  • Wie können professionelle Qualitätsstandards der Mediengestaltung sinnvoll verknüpft werden mit den Gestaltungsmöglichkeiten von „lernenden Laien“? Müssen wir in der Bildung unsere Qualitätsanforderungen nicht insbesondere nach den Voraussetzungen und Erwartungen der Lernenden richten?
    ⇒ Differenzierung zwischen Ansprüchen an das Endprodukt (z.B. ein „viral spot“, der auf YouTube o.ä. Plattformen öffentlich verbreitet wird) und dem Anspruch an den Prozess einer Gestaltung, bei der es vor allem auf das Lernen ankommt und das Produkt allenfalls i m engeren Bekanntenkreis eine Rolle spielt (= Foto fürs Familienalbum)?
    ⇒ Analogie: Auch wenn wir in der Schule das Verfassen unterschiedlicher Textformen gelernt haben, sind doch die wenigsten Schriftsteller geworden.
  • Wie gehen wir um mit der Flut an bewegten Bildern im Internet? Wie können gerade BNE-Angebote darauf regieren bzw. sich hier bemerkbar machen?
    ⇒ Es muss nicht alles (viral) verbreitet werden. Gerade BNE-Akteure sollten gut überlegen, mit welchem Ziel und welchen Möglichkeiten ViDeos und andere Medien für das Internet produziert und publiziert werden. (Nur) Wenn da die eigenen Kompetenzen nicht ausreichen, bedarf es ggf. professioneller Unterstützung.
  • Neben der medialen Gestaltungskompetenz sind zunehmend Analyse- und Bewertungskompetenzen gefordert (z.B. um Fake-News zu erkennen).
    ⇒ Gerade hier müssten Experten einbezogen werden. Wünschenswert wären auch „Erklär-Videos“, die speziell auf BNE zugeschnitten sind.

Zum Ende der AG machte Friedrich Hagedorn noch auf den zunehmendem ökologischen und sozialen Fußabdruck digitaler Medien aufmerksam. Auch der sollte bei der Produktion und Verbreitung eigener Medienangebote im Auge behalten werden.

Energieverbrauch

„Der Energieverbrauch durch Nutzung und Herstellung von IKT liegt bei ca. 12 Prozent des Gesamtverbrauchs an elektrischer Energie. Die Rechenzentren haben aktuell daran einen Anteil von 21 Prozent, der – wie gezeigt – hauptsächlich durch das Streamen von Video-Inhalten erzeugt wird. Nach einer Prognose der TU Dresden wird der Verbrauch elektrischer Energie durch IKT im Jahr 2030 so hoch sein wie der aktuelle Stromverbrauch der Weltbevölkerung.“

 

Zum Abschluss haben Niko Martin und Kilian Rüfer in einem kurzen Workshop andiskutiert, wie Digitalisierung konkret in der Bildung für nachhaltige Entwicklung berücksichtigt werden kann. Als Diskussionsgrundlage wurden die im Buch „Smarte Grüne Welt? – Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit“ beschriebenen „Leitprinzipien einer zukunftsfähigen Digitalisierung“ vorgestellt: Digitale Suffizienz, Konsequenter Datenschutz und Gemeinwohlorientierung. Die bislang durch wirtschaftliche Interessen geprägte Digitalisierung könne viele Nachhaltigkeitsprobleme zusätzlich verschärfen und erfordere daher Engagement für Nachhaltigkeit. In dem Workshop wurden Anwendungsideen gesammelt:

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