Narrative – praktische Gründe, um lebensweltliche Erzählungen als Lernformate anzuerkennen

Workshop im Rahmen des AGENDA-Kongresses 11./12. Juli 2016

Hintergrund

Promotor(inn)en der nachhaltigen Entwicklung stecken in einem Dilemma:
Sie haben in beginnenden Transformationssituationen immer die knapperen Ressourcen, die risikoreicheren Visionen. Promotor(inn)en sind mit ihren Vorstellungen neu und irritierend. Sie stören Alltagskulturen und Machtstrukturen, werden daher oftmals gezielt ignoriert.
Die Folge ist, dass sie zwei Aufgaben lösen müssen: Einmal müssen sie Visionen und Szenarien entwickeln. Und dann – zweitens – müssen sie diese Ideen in die Welt hinein bekommen, zum öffentlichen Diskussionsgegenstand machen, der alle umtreibt.

Diese BNE ist immer eine kulturell geprägte Melange von System-, Orientierungs- und Transformationfragen (und -wissen) in einem geografisch begrenzten sozialen Raum. Das bedeutet, dass die Kommunikation geprägt ist durch Bilder und Metaphern, die sich aus dem kulturellen Kontext der Regionen ableiten – selbst innerhalb der Globalisierungsprozesse. Zugleich ist Kommunikation eine Melange von Ratio und Emotion, über die sich erst Wertvorstellungen, Motivationen und Interessen artikulieren.
Will ich erreichen, dass aus wissenschaftlichem Wissen klimapolitisches Handeln entsteht, muss man andere gesellschaftliche Teilsysteme in Schwingung versetzen. Je mehr Zugangswege eine Botschaft ermöglicht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit mehr Adressat(inn)en zu erreichen.

 

Was geht ab beim sich bilden für nachhaltige Entwicklungen?

Erstens suchen wir nach Leitvorstellungen, nach Zukünften, d.h. einem in der Zukunft verorteten Bild unseres Lebens, unserer Region etc. Warum? Um einen Bezugspunkt für gegenwärtige Entscheidungen zu haben. Handlungen und Entscheidungen um ihrer selbst willen scheinen zurzeit nicht in das gesellschaftliche Selbstverständnis zu gehören.
Die visionären Leitvorstellungen müssen sich aber in die heutigen Selbstentwürfe, Lebensstile, Alltagskulturen einschreiben lassen können, müssen anschlussfähig sein – sonst bleiben sie bloße Vorstellungen.

Zweitens sind Leitbilder – wie die Klimaanpassung – resonanzfähige, legitimationsfähige Sprachbilder, Metaphern, Rituale – die immer wieder reproduziert werden (müssen) und daraus handlungsstrukturierende Kraft gewinnen. Leitbilder erhalten ihre Resonanzfähigkeit aber nur durch Geschichten, die überzeugend das Zukünftige beschreiben – wenig über Appellationen.

Drittens sind Erzählungen heute nicht mehr Texte; es sind eher audiovisuelle Bilder, die das Potenzial haben,

  • sehr schnell, quasi auf einen Blick, die alltagskulturellen, habituellen Hintergründe des Leitbildes/der Botschaft zu zeigen bzw. an Erfahrungen zu erinnern,
  • eine Ganzheitlichkeit der Botschaft im Augenblick des Fotos, Klangbildes, Spots darzustellen
  • und den »Bauch« (das Gefühl) mit der Botschaft zu verbinden.

Viertens sind Bilder in ihrer emotionalen, ethischen und ästhetischen Erregungswirkung geeignet, Lernanlass zu sein, dort Aufmerksamkeit zu erreichen, wo diese normalerweise bei diesem oder jenem Milieu oder jener Zielgruppe nicht zu erwarten ist. Sie transportieren Problemwissen in den persönlichsten Kontext: die Betroffenheit, »ich bin berührt«, »ich mute mir zu« erzeugt unmittelbare, persönliche Relevanz. Das nennt man Sensibilisierung.
Fünftens wird über diesen Weg – nicht andersherum  das Problemwissen in den sachlichen Kontext transferiert: Verhältnis des Problems und seiner Folgen zu »meinem Konsummuster, meiner Arbeit, meinem Lebensentwurf« etc. Dies bringt den Grund oder die Begründung sowie die Motivation dafür hervor, handeln und lernen zu wollen. Auf der Basis emphatischer Gesellschaftsvorstellungen gewinnt die Fähigkeit zur Eigenmotivation und zur Motivation anderer für die Handlungskompetenz , d.h. für die Fähigkeit kreativ, d.h. problemadäquat Lösungen aufzuzeigen eine besondere Bedeutung.
Und schließlich insofern das Kontroverse das entscheidende methodische Programm von Klimafolgenbewältigung wird, erhält diese auch eine Funktion für die Entwicklung von Gestaltungskompetenz, d.h. der Fähigkeit, im sozialen Dialog die gesellschaftlich sinnfälligste Alternative von Zukunft auszuhandeln und die Transformation anzugehen.

Ablauf

1. Begrüßung und Darstellung dessen, was wir 3 Stunden lang vorhaben, warum wir das vorhaben und wie wir das machen werden
2. Narrative! Lernformate mit Kontext -worüber reden wir beim „storytelling“? – Sehr kurze Einführung
3. Vorstellung von „guten und weniger guten Beispielen“ audiovisueller Erzählungen – spontane, gemeinsame „Wirkungsanalyse“
4. Gruppenübung: Entwicklung einer Erzählung (Text oder Storyboard)
5. Reflexion und lessons learnt

Joachim Borner

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