Neue Erzählungen zur Klimakrise
Mit Frank Schätzings am 15. April erschienenem Buch „Was, wenn wir einfach die Welt retten? Handeln in der Klimakrise“ scheint es endlich im Mainstream angekommen zu sein, dass wir uns um die Erde kümmern müssen. Als Thriller wird das Sachbuch vielfach bezeichnet, was als weiterer Garant dafür gelten könnte, ein breites Publikum zu erreichen.
Doch überschneiden sich zwei Lektüreangebote an das Publikum, das des Thrillers und das des Sachbuchs. Entsprechendes gibt es auch im Verhältnis zwischen Spielfilm und Dokumentarfilm. Doch bleiben wir beim Medium Buch. Ganz unabhängig davon, ob Schätzing Botschaften zu vermitteln, die Leserschaft zum Handeln zu bewegen sucht oder mit Mitteln des Thrillers, also der Spannungserzeugung, vorgeht – es ist ein Sachbuch und Sachbücher erreichen in der Regel bei weitem kein so großes Publikum wie Romane. Darüber hinaus ist ein bevorzugt fiktional erzählter Thriller etwas anderes als ein eher auf Fakten und Zukunftsszenarien basierendes Werk, auch wenn Thriller-Elemente nachweisbar sind. Allerdings besteht kein Zweifel, dass Schätzing auch durch die serielle Struktur seines Buchs (er erzählt in Staffeln genannten Zeitabschnitten) alles dafür tut, um für das Sachbuch eine breite Leserschaft zu gewinnen. Die Deutschlandpremiere des Buches präsentierte Radio eins im Gespräch mit Frank Schätzing.
Es tut sich weiteres in der Medienlandschaft, wie etwa die RTL-Initiative „Klima vor acht„. Das Vorhaben geht auf eine Petition von rund 30.000 Unterzeichner*innen vom letzten Jahr zurück, worin gefordert wurde, eine Sendung „Klima vor Acht“ der „Börse vor Acht“ vorzuziehen. In einem Artikel von Uwe Mantel für DWDL ist zu lesen, dass die ARD der Meinung war, die ARD behandele das Thema angemessen. Das sehen etwa 180 Prominente aus Wissenschaft, Kultur und Medien nun etwas anders und haben in einem offenen Brief an den ARD-Vorsitzenden Tom Duhrow die Forderung wiederholt. Ein entsprechendes Senndeformat soll nun aber nicht von der ARD, sondern von RTL ins Programm genommen werden. Vielleicht ist die ARD wegen der ausgebliebenen Gebührenerhöhung noch eingeschnappt – und hat sich jetzt eine Chance von einem Privatsender wegschnappen lassen.
RTL hat eine weitere Initiative zur fiktionalen Eigenproduktionen, die auf dem Streaming-Dienst TVNow zu sehen sein werden. Gerade angelaufen ist die Miniserie „Mirella Schulze rettet die Welt“ um ein 13-jähriges Mädchen, das sich für die Umwelt einsetzt und damit ihre Familie und ihr soziales Umfeld durcheinander wirbelt. Ohne FridaysforFuture wäre die Serie wohl kaum gemacht worden. Wie ich in meinem Artikel für den Filmdienst schreibe, gibt es aber ein paar Probleme mit der Anschlussfähigkeit der Serie an FFF.
Über all dies ist eine tiefschürfendere und regelmäßigere Auseinandersetzung notwendig als es hier aktuell möglich ist. Das Open Book und seine Redaktion leidet auch unter Corona und auch unabhängig davon unter einer fehlenden Finanzierung. Die Webseite wird in Zukunft aber nicht mehr ehrenamtlich betrieben werden können.
In diesem Zusammenhang scheint mir auch der Bestseller Roman „Der neunte Arm des Oktopus“ von Dirk Rossmann, dem Inhaber der gleichnamigen Drogerie-Kette, erwähnenswert. Im Stil einer fiktiven Reportage versucht er, aus der Perspektive des 22. Jahrhunderts die Klima-Krise der Gegenwart und einen radikalen Politikwechsel in den nächsten Jahren zu entwerfen. Auch wenn in Rossmanns Roman der Zusammenhang weltweit verstreuter Einzelschicksale und die Verknüpfung von realen und fiktiven Personen nicht ganz zu überzeugen vermag, so ist es m.E. doch einer der wenigen erzählerischen Versuche, einen – sicherlich diskussionsbedürftigen – Zukunftsentwurf für eine politische Strategie zur Bewältigung der Klimakrise zu konstruieren.
Hallo,
Rossmans „Roman“ ist ein propagandistisches Machwerk und hat nichts mit Literatur zu tun, nicht nur weil es schlecht geschrieben ist. Wenn Sie richtige Klimaprosa lesen wollen, hilft der Begriff Climate Fiction weiter.
Wir haben im Dezember 2020 ein internationales Climate Fiction Festival dazu organisiert,
https://climate-fiction-festival.de/
und im November 2021 gibt es ein weiteres.
https://www.planet-festival.de/
Es gibt reichlich gute Climate Fiction, sogar mittlerweile in deutscher Sprache, vor allem aber wenn man sich etwas in der Welt umsieht. Was angesichts des Themas angebracht ist.
Freundliche konstruktive Grüße
Martin Zähringer
Lieber Martin Zähringer,
vielen Dank für Ihren konstruktiven Kommentar.
Über die Qualität von Literatur lässt sich ja bekanntlich trefflich streiten. Ich habe gerade „Malé“ von Roman Ehrlich und „The Ministry for the Future“ von Kim Stanley Robinson gelesen. Beides kann als Climate Fiction gelesen werden und in beiden Fällen wird literarisch vollkommen unterschiedlich vorgegangen.
Aber was halten Sie denn von einer Kooperation mit dem Partnernetzwerk Medien? Vielleicht können wir das Festival mit unseren Expertisen und Perspektiven bereichern. Wenn Interesse besteht, können wir uns gerne mal online teffen.
Herzliche Grüße,
Thomas Klein