#OrganicLearning: eine “transLerner” Bildungsmethode
Von Giovanni Fonseca
Transmediale Erzählungen bieten verschiedene Zugänge zu einer Geschichte an. Die Unterhaltungsindustrie hat dies verstanden und profitiert davon. Sie geht von der Unterschiedlichkeit der Menschen aus. Plattformen wie YouTube (oft ein Glied in der transmedialen Verwertungskette), fragen die Nutzer nach ihrem Geschmack, ihren Interessen und ihrem Lieblingsformat. Sie greifen auf künstliche Intelligenz zurück, um die Nutzer besser kennenzulernen und entsprechende Produktvorschläge machen zu können. Können wir eine analoge Strategie im Bildungsbereich umsetzen? Lesen Sie doch weiter, um das zu entdecken.
Settings unserer Geschichte
Normalerweise gibt es im Bildungsbereich wenig Verständnis dafür, dass lineare Curricula große Nachteile aufweisen. Die meisten Kurse werden für Lehrende als lineare Erzählungen konzipiert und auch so umgesetzt. Das ist nichts mehr als nur einer Ansatz zum Hauptthema. Der/die Autor/in denkt, dass diese Liste von Unterthemen in genau dieser Ordnung die beste Art und Weise ist, um ein Thema zu lernen. Natürlich versteht sie/er das so aufgrund ihres Wissens, ihrer Erfahrung. Aber jeder Mensch lernt unterschiedlich. Jeder hat andere Erfahrungen gehabt als die des Autoren/der Autorin, um das Curriculum zu designen. Wie ist es möglich, davon auszugehen, dass lineare und standardisierte Curricula allen Lernern dabei helfen, sinnvolle Lernprozesse zu erleben? Warum sollen alle Lerner ein besonderes Lehrbuch interessant finden? Dafür haben wir Bibliotheken, wo jeder ein Buch findet kann, welches ihren/seinen Lernprozess unterstützt. (Natürlich ist diese Parallele nicht perfekt, weil die meisten Lehrbücher linear aufgebaut sind, aber Sie verstehen meinen Punkt, oder? Wenn nicht, lesen Sie weiter…)
Neurowissenschaftler*innen wissen, dass Lernen kein linearer Prozess ist. Die Verbindungen zwischen unseren Neuronen stellen sehr komplexe Formen dar. Jede neue Verbindung ist das Ergebnis eines organischen Prozesses. Lernen ist organisch. Obwohl lernen ein natürlicher Prozess ist, garantiert das nicht, dass man einem anderen Menschen das Lernen so ohne weiteres erleichtern kann.
Möglicher Ansatz für die Herausforderungen der BNE im Kontext einer quasi-digitalisierten Welt (Eine Lösung des Konflikts)
#OrganicLearning“ ist eine innovative Bildungsmethode, um sinnvolle Lernprozesse zu bevorzugen und zu erleichtern. Sie ist natürlich, flexibel, intuitiv und in der Lage, sich organisch selber weiter zu entwickeln und zu verbessern. Eine virtuelle Plattform analysiert das Lernprofil der Lernenden und schlägt die interaktive „Mind-Map“ vor, die am besten zu den Stärken und Fähigkeiten des Lernenden passt.
#OrganicLearning (Kurzname: o-Learning) ist ein Lernarrangement, um Lernprozesse zu erleichtern. Ursprünglich wurde es als Instrument für effiziente e-Learning Umgebungen entwickelt; wir merken aber, dass es universell – also auch im Blended Learning (b-Learning) oder sogar bei face-to-face Lernsituationen verwendet werden kann.
Eine Mind-Map ist eine graphische Darstellung unseres Verständnisses z. B. von der Wirklichkeit. Normalerweise benutzen wir Bilder, Wörter oder kurze Sätze (Concept-Maps), damit wir unser Verständnis ausdrücken können, meist speisen wir bei der Auswahl der grafischen Elemente, Symbole, Metaphern auch unsere Gefühle und Emotionen ein und repräsentieren diese. Es ist wie ein Spiegelbild unseres Geistes. Wir konstruieren unser eigenes strukturiertes Verständnis zu einem bestimmten Thema.
Im Rahmen von #OrganicLearning erweitern wir nun ein bisschen das Konzept der „Mind-Map“ zu einem „Organic-Mind-Model“ (OMM). Das ist eine grafische Darstellung von interaktiven Lernprozessen. Im „Organic-Mind-Model“, das wir in #OrganicLearning verwenden, werden wir nicht nur Bilder, Worte, Texte, Videos u.a. finden, sondern auch interaktive Elemente. Ein interaktives Element könnte beispielsweise eine Aktivität sein, die von einem Facilitator vorgeschlagen wird. Der Facilitator macht diesen Vorschlag, um dem Lernern weitere Gegenhorizonte im Lernweg zu eröffnen. Diese Aktivitäten sollten so vielfältig und „irritierend“ wie möglich sein.

Links und rechts Bilder von #OrganicLearning, mitte von https://pixabay.com/de/neuronen-hirnzellen-hirnstruktur-1773922/
Die Freiheit, kreativ suchend im OMM zu „surfen“ fördert die Erfahrung mit sinnvollen, einleuchtenden Lernprozessen. Zu Beginn werden die Lernern Themen oder Aktivitäten identifizieren, die sie interessant finden. Es können auch Themen sein, mit denen sie bereits Erfahrung gemacht haben oder solche, die sie früher im Unterricht bearbeiten mussten. Konstruktivistisch wird deutlich, dass jeder einzelne Lerner eine ganz andere und sehr individuelle Lernerfahrung haben wird – verglichen mit den anderen – auch wenn alle das gleiche OMM verwenden. Auf diese Weise ist der Lernprozess subjektiv, selbstbestimmt und selbstorganisiert, basierend auf dem Interesse des Lernern, seinen Werten, Motivationen und Erkenntnismethoden. Mit anderen Worten: Es ist organisch.
In komplexen und dynamischen Prozessen, die verstanden und „gelernt“ werden sollen, ist es wichtig, mit einer vielfältigen und interdisziplinären Gruppe von Facilitatoren zu arbeiten, um die OMMs voll auszureizen. Denn alle Lerner sind unterschiedlich und lernen auf sehr verschiedene Art. Deshalb ist es wichtig nicht nur ein OMM, sondern einen Katalog von OMMs für das gleiche Thema anzubieten.
Die Facilitators entwickeln und gestalten ihre eigenen individuellen Organic-Mind-Modelle, solche, die wiederum ihr eigenes Verständnis des Themas repräsentieren. Parallel organisiert die Gruppe von Facilitatoren ein Befragungsverfahren, durch das das Lernprofil der Lerner diagnostiziert werden kann. Um was geht es dabei? Nun, manche Lerner sind mehr visuelle, andere mehr auditive Typen, einige bevorzugen es individuell zu arbeiten, andere in Gruppen, etc. Es ist zudem wichtig, frühere Erfahrungen oder Kenntnisse zu dem Thema zu reaktivieren und einzubeziehen, um die Perspektive der Lerner und das Verfahren, mit dem der Lerner sich der Welterkenntnis nähert, kennen zu lernen.
Aber auch die Facilitatoren befragen sich. Ihre Antworten werden mit dem persönlichen Organic-Mind-Model verbunden, die jeder einzelne Facilitator entwickelt hat. So hat dann die virtuelle Plattform, auf der der organische Lernraum gehostet wird, eine Datenbank, in der die verschiedenen Lernprofile der Facilitatoren mit ihren OMMs verbunden sind. Diese Informationen werden dann von der virtuellen Plattform verwendet, um den verschiedenen Lernern die am besten zu ihm passende OMM vorzuschlagen. Künstliche Intelligenz funktioniert in diesem Sinne als Unterstützung des Matching Prozesses zwischen Lerner und Facilitatoren. Ein toller Vorteil der Digitalisierung!
Die Abenteuer des Lernens (Plot)
Sobald der Matching Prozess fertig ist, beginnt eine Phase von geführten Lernprozessen bei denen jeder Lerner mit seinem Facilitator in ständigem Kontakt sein wird. Beide werden von diesem Prozess profitieren, weil es wie die Reise zu einem definierten Ziel sein wird, während derer aber die Freiheit bleibt, sich Ziele auf dem Weg immer wieder neu zu definieren. Sie werden sozusagen die Abenteuer des Lernens zusammen erleben. Es könnte scheinen, dass der Facilitator bereits diesen Weg (Route) weiß. Aber letztlich kennt er nur eine mögliche Route – nämlich seine und er kennt sehr gut sein Ziel. Der Lerner hat frühere Erfahrungen über andere Reisen in andere Richtungen gemacht. Jetzt wird er die Vorteile dieser Erfahrungen nutzen, um seine eigene Route zu einem neuen Ziel zu finden. Dort angekommen und nach einer Eingewöhnungszeit in diesem neuen Ort, entscheiden Lerner und Facilitator gemeinsam, ob sie den Ort gut genug erkundet haben oder ob sie ein paar neue Dinge einander zu zeigen in der Lage sind, die sie auf dem Weg erlebt haben.
Eigentlich war es klar: Schrittweise werden nun die Lerner selbst beginnen, ihre eigene OMM zu erstellen und zwar über das Thema, zu dem sie bislang gearbeitet haben. Diese neuen OMM werden ein Teil der Bewertung sein. Der Facilitator muss und kann sodann entscheiden, ob die Lernziele abgedeckt wurden oder ob es noch einige Aspekte gibt, die zu verbessern wären.
Es gibt einen weiteren wichtigen Aspekt des #OrganicLearnings. Aufgrund der Tatsache, dass jeder einzelne Lerner am Ende einer jeden Lerner-Generation ein neues OMM zu schaffen hat, wächst der Katalog der OMMs. Es wächst die Zahl der Perspektiven, Betrachtungen, Deutungen, Lösungen. Jetzt erweitert die virtuelle Plattform ihre Datenbank insofern, als sie die OMMs (alte wie neue) mit den spezifischen Lernprofilen abgleicht. Dadurch wird die nächste Lerner-Generation einen vielfältigeren Katalog möglicher organischer Lern-Weisen zur Nutzung haben. In diesem Sinne wächst und verbessert sich die virtuelle Plattform organisch selbst.
The End
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert. – Albert Einstein
NB des Autors: Wenn Sie diesen Text nicht verstanden haben, hat das vielleicht mit meiner linearen Erklärung zu tun. In diesem Fall lade ich Sie gerne dazu ein, unsere Webseite organic-learning.education zu besuchen. Wir werden in den nächsten Monaten ein #OrganicBlog als neues Format starten.
Danksagung: Dank an Joachim Borner für die Korrekturen und Verbesserung der Übersetzung auf Deutsch der Beschreibung von #OrganicLearning. Dank an Thomas Klein für Feedback und Korrekturen zu diesem Text.