TV-Sendungen zu Klimaflucht und Anthropozän
Beim diesjährigen Deutschen Fernsehpreis waren zwei Produktionen nominiert, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen. Die Dokumentation „Die Story im Ersten: Klimafluch und Klimaflucht“ war in der Kategorie „Beste Dokumentation/Reportage“ und „Terra X: Anthropozän“ war in der Kategorie „Bestes Infotainment“ nominiert. Beide Sendungen gewannen den Fernsehpreis jedoch nicht. „Klimafluch und Klimaflucht“ musste sich gegen eine andere „Story im Ersten“ geschlagen geben. Das beste Infotainment wurde „Leschs Kosmos“ bescheinigt.
Harald Lesch hat selber Folgen der erfolgreichen Sendereihe „Terra X“ moderiert. Im Prinzip gibt es die Sendung schon seit mehreren Jahrzehnten. 1982 begann das ZDF mit der Sendereihe „ZDF Expedition“, die dann 2008 in „Terra X“ umbenannt wurde. „Terra X“ ist ein recht hoch budgetiertes Format. Die Sendung macht vieles richtig, ist visuell ansprechend gemacht und wirkt auch nicht belehrend. Mal wird moderiert, mal nicht. Die Anthropozän-Folgen sind von Dirk Steffens moderiert. Seit 2008 moderiert er die Terra X-Reihe „Faszination Erde“. Er ist noch offizieller UN-Dekade Botschafter für Biologische Vielfalt. Steffens ist ein guter Moderator und trägt wesentlich dazu bei, dass die Sendung nicht belehrend daherkommt. Gelegentlich wirken die Aufnahmen mit ihm allzu gestellt. Problematisch ist bei der Moderation auch, dass wegen des Moderators zu den zahlreichen Orten der Welt (12 Länder) geflogen werden muss, wo die drei Folgen spielen. Ohne Moderator könnten die einzelnen Stücke auch ressourcenschonend von Teams vor Ort gedreht werden.
Problematisch sind am ehesten Spielszenen (Reenactments), die in solchen Formaten oft eingesetzt werden, um historische Zusammenhänge, zu denen es kein Bewegtbildmaterial gibt, darzustellen. In „Terra X: Anthropozän“ handeln die Spielszenen fast ausschließlich von Erfindern, die wesentliche Wandlungsprozesse in Gang gebracht haben. Gelegentlich wird zwar etwas besonderes sichtbar, was sonst verborgen bliebe, doch das, was wir sehen, ist allzu oft ziemlich banal. Da steht dann ein Wissenschaftler mit einem Reagenzglas zwischen den Fingern, schüttelt es ein bisschen, blickt vielsagend zu seinem Assistenten und im Voice-Over hören wir, was da kredenzt wurde. Schlimm wird es, wenn versucht wird, den Kontext damaligen Alltags einzubringen. Da lässt man dann einfach mal eine Dienstmagd durchs Bild gehen, um den Tee aus dem Arbeitszimmer abzuservieren, denn das war ja damals so. Solche Szenen sind ärgerlich und zudem vollkommen unnötig. „Terra X“ ist ein Infotainment-Aushängeschild des ZDF. Es gab und gibt zahlreiche Sondersendungen und Unterformate. Während Covid-19 Pandemie wurde der YouTube Kanal Terra X statt Schule ins Leben gerufen.
„Die Story im Ersten: Klimafluch und Klimaflucht“ ist eine ARD/SWR-Produktion. Regie führte Thomas Aders, ein sehr erfahrener Korrespondent der ARD. Die stark vertretene Erzählerstimme kommt von dem Schauspieler und Sprecher Frank Stöckle. Aders ist eine intensive Doku zu Klimaflucht gelungen, die hoffentlich ein Baustein dafür ist, dass Klimaflüchtlinge endlich als Flüchtlinge anerkannt werden.
Beide Produktionen haben ein Problem, das Umweltdokumentationen leider häufiger aufweisen. Eine überbordende, hoch manipulative Musik wird eingesetzt, die vor allem im „Terra X“ alle Bilder und Erzählungen zukleistert. Damit soll die Sendung natürlich gefälliger werden. Sie läuft aber eher Gefahr, an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Beide Sendungen sind in den Mediatheken zu sehen:
Terra X
Story im Ersten
Im Pressebereich von Terra X finden sich viele Zusatzinformationen.
Text: Thomas Klein
Ich möchte bei der Gelegenheit noch auf meine Kritik der spanischen Netflix-Produktion „Adú“ hinweisen, die auch von Flucht und Migration erzählt.
https://www.filmdienst.de/film/details/615204/adu#kritik