Veränderungsfähigkeit und Zukunfts-Narrative

Der Wiener Soziologe und Vermögensforscher Thomas Druyen hat eine bemerkenswerte Studie zur „Veränderungsfähigkeit der Deutschen“ veröffentlicht. So sehr einen auch eine generelle Beurteilung der Deutschen skeptisch stimmen mag, so enthält die Studie doch einige Aussagen, die m.E. Aufmerksamkeit verdienen. Insbesondere wird das Dilemma herausgestellt, dass die meisten Menschen hierzulande zwar eine herausragende Bereitschaft und Fähigkeit aufweisen, sich auf eingetretene Veränderungen einzustellen, jedoch offenkundig nicht in der Lage sind, sich mit erwartbaren zukünftigen Herausforderungen auseinanderzusetzen.

Beispiele dafür sind Digitalisierung, demografischer Wandel und nicht zuletzt der Klimawandel. Und leider sind es gegenwärtig – und in den vergangenen Jahren – gerade die von uns gewählten Politiker, deren Handeln von kurzfristigem Pragmatismus, Sicherheitsdenken und vermeintlicher Risikovermeidung, aber eben nicht von vorausschauendem Denken und Handeln geprägt ist. (Vgl. dazu auch das Interview mit Druyen in der ZEIT-Ausgabe vom 05.04.2018)

Mit andern Worten: Wir brauchen Geschichten und Narrative, die eine solche Vorschau auf erwartbare Zukünfte ermöglichen und zeigen, dass wir nicht nur reaktiv sondern auch proaktiv handeln können und müssen. Aber dazu bedarf es auch überzeugender Geschichten-Erzähler und Narratoren. Die kommen eben nicht aus der Politik, und auch die sog. Zivilgesellschaft macht momentan eher durch rückwärtsgewandte Initiativen auf sich aufmerksam (Stichwort: Die „Erklärung 2018“).

Daher: Wir, die wir nicht aufhören wollen, an zukunftsfähiges Denken und Handeln zu glauben, müssen uns offenbar schon selbst die Geschichten erzählen, die uns zu vorausschauendem Verhalten ermutigen.

Friedrich

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3 Kommentare

  1. Maxi

    Das mache ich jeden Tag. Auch lasse ich ändere daran teilhaben ernte jedoch nur mitleidiges Lächeln.

  2. Klaus-Dietrich Woithe

    Vormerk: Ich habe verwiesene ZEIT-Ausgabe noch nicht gelesen./Klaus-Dietrich Woithe

    Dumm nur, es werden immer wieder schon viele Narrative, als solche behauptet,…, aber nicht gelebt; das Thema ist eine im Wesen dialektisch praktische Formatsfrage. Etwa so:
    – Zunächst ist Veränderungsfähigkeit ‚der Deutschen‘ (wenn solches abstractum überhaupt klar zu umspinnen ist) wie alle Veränderungsneigung polar-dual zu setzten: als Resilienz gegen Veränderungsdruck. Wer Veränderung bei Deutschen anmahnt, mit dem Wunsch eines erfreulichen Resultats, der sollte deren Tugenden anrufen: praktische, gegenständliche, handwerklich geschickte Fähikeit für materiell-instrumentale Vergegenständlichung, etwas in Stoff und Form zur Erscheinung zu bringen. Nicht zu vergessen: Die ‚Sprache‘ sich vergegenständlicher Interaktionen – eine Weise zu ’schreiben‘ – fixiert sich so als ‚Geschriebenes‘, als ein Tatsachernwerk zum anfassen. Das ist natürlich nicht pur deutsch, aber hierzulande immer noch ein Merkmal von geübter Bekenntnispraxis zum Leben ebend.
    All so wäre ein NEUES NARRATIV der dialektisch probierten und beprobungsfähigen „Veränderung deutsch“ ein hier behaustes, aber aus allen Quellen von „Welt“ gespeistes, Unternehmen – erkennbar von Anbeginn in seiner Werdeform als Geschichte mit Geschichten, erkennbar als weiterhin unablässig in regem Fluss – aber ein Unternehmen, das sich fortlaufend zur ideellen wie materiellen Erscheinung bringt.
    Wesen erscheint als Stet-zur-Erscheinung-kommen. Was hier not-wendend zur Erscheinung kommen möge, kann mit großen Worten gelassen ausgeprochen, aber keineswegs so cool gelassen erwirklicht werden: Selbstbehautung von TYPUS MENSCH im Pro wie Contra seiner selber und seiner Werke in Umständen der Volks- und Weltvölkergeschichte, der zusprechenden wie gegensprechenden eigenen Natur – individuell personal, gruppenhaft eingesponnen – und das in gestresster Mit- wie Umwelt wie gegenhaltender NATUR.
    Wer Veränderungsfähigkeit, eigentlich Reakti-Proaktiv-Fähigkeit, in deutsch fordert, wie Friedrich das ansagt und als Lektüre verweist, der ist gefordert – mit allen, die dafür Sinn sehen – nun auf NEUE WEISE eine „Erzählung“ mitzuschaffen; die also dialektische Einheit von Ideellem und Materiellem ist, bleibt, stet neu wird, aber als Eigenweg erkennbar bleibt, vielen Mittun erlaubt. Wer so ein Narrativ will, muss Widerständigkeit zum BLEIBEN IM WANDEL anrufen/provozieren, diskutieren, aber dann mit Elan lebenspraktisch umsetz-en/organisieren… DENN DIESE ERZÄHLUNG, die solche Veränderung echt erwirkt – nicht einfach verwirkt(!) – ist erst „deutsch“ und überhaupt auf der Welt ähnlich so, wenn sie in Menge den VIELEN, in deren „Mutter-Vatersprache“ kommunizierbarer Taten, nun Dienstleistung und Schaffenswerk von Mach-Sach-Werten wird und ist (dem ‚Gestell‘ Heideggers erst mal antithetisch gegengesetzt!).
    Was Gegenstand solchen Narrativs sei? Das Leben, unser Leben hier und jetzt! Aber damit sehen wir hiesig schon in den Querungen, den Irr-Wirr-Flüssen, die uns unsere angelaufene Hybris beschert. Muss ich hier nicht ausbreiten.
    Praktikerfrage: WAS TUN, HIER UND JETZT?
    Ich heiße es FOC. FREIER OFFENER CAMPUS! FOC quer deutsch, quer nicht-deutsch, sei zunächst eine Lobby bei quer deutsch und quer nicht-deutsch, die animiert – im Geist der All-inclusive-Mentalität -, in kompakten Regionen EREIGNISFELDER virtuell wie dinglich zu schaffen von allem (wat et so jibt,wa!?), was an An- wie Zumutungen aus Natur, Wissenschaft, Technik, aus Kultur-Naturverpflechtungen, Technik. Lebensarten, Gesellschaftsmodellen, spirituellen Angeboten besseren Niveaus usw. sich und uns umtreibt. Solche Ereignisfelder und deren Verbund seien genau mit allem medialen Pipapo das Narrativ/die Narrative die als Learning-by-doing solche Frage, die Friedrich stellt, lebenspraktisch und natürlich auch reflektiert beantworten.
    Sage niemand, dass es so etwas schon gäbe. Es ist ein Sache der Komplexität. Ich stelle mir vor, dass, sage mal etwa >400 km**2 kompakt, ein physisches Ereignisfeld hergäbe – hierzulande, wegen Siedlungsdichte unter Einbezug der schon vorhandenen Siedlungs- Nutz- und Naturgegebenheiten in ein entsprechendes Modellprogramm.
    Eine Lobby freilich für einen FOC in Gründung – zwecks Auf- und Ausbau – ist virtuell und in kleinen Treffs undPlätzen möglich. Und natürlich gibt es schon, teils schon lange, kleine Orte, die eigentlich Kerneignung für ein Narrativ im Vollstadium dieser Weise besitzen. Zu viel ich sehe, ist auch WECHANGE mit einigen Standortangeboten da dran. Worauf es in dieser Hinsicht – es gibt durchaus noch andere Aspekte – ankommt, das ist freie Konzentration auf wenige Aufgaben bis eine Aufgabe, mit dem Willen, das auch physisch. „landschaftsbildlich“ ins Leben zu bringen:
    Eines teilt solches – etwas gewohnheitsbedürftig, etwa eher ‚uneigentliches‘ – Narrativ, mit üblichen Narrativen: Es müsste schon zu spürbarem Anteil ‚kamingfähig‘ sein, also soziokulturelle Atmosphäre des Hinlauschens, des Sichverinnerns anbieten, annehmbar heimelig, spannend-entspannend, den Alltag erst mal entsorgend vorweisen, auch darin sich stet neu erzeugen. Denn in Stille werden Werke, die ringsum ansehnlich wirken.

    Klaus-Dietrich

  3. Friedrich

    Klaus-Dietrich, danke für deinen ausführlichen Beitrag, der ja eben weit mehr ist als ein Kommentar. Aber so richtig habe ich vielleicht nicht verstanden, worauf du hinaus willst: Du sprichst von „kleinen Orten“, in denen ein zukunftsfähiges Narrativ der Veränderung bereits gelebt werde. Vielleicht kannst du mal Beispiele nennen, damit das ein wenig konkreter und vorstellbarer wird, was du meinst? Das wäre – zumindest für mich – recht hilfreich.

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