Brandenburg in Endzeitstimmung: Der Polizeiruf 110 „Demokratie stirbt in Finsternis“
Foto: © rbb/Oliver Feist
Der Polizeiruf war eine der wichtigsten Krimiserien in der ehemaligen DDR und wurde ab 1993, nach Auflösung des DDR-Fernsehens, eine der wichtigsten Krimiserien im Deutschen Fernsehen. Er ist, vergleichbar dem Tatort, ein Spiegel der deutschen Gesellschaft. In der neuesten Folge vom 29. April 2018 herrscht Endzeitstimmung in Brandenburg.
Weil in ihre Wohnung eingebrochen und sie mit ihrer schlafenden Tochter gefilmt wurde, begibt sich die traumatisierte Kommissarin Olga Lenski (Maria Simon) aufs Land. Sie quartiert sich bei dem von Jürgen Vogel gespielten Lennard ein. Der ist ein Prepper und lebt auf einem autonomen Hof. Die Familie ernährt sich vom eigenen Feld, der Strom kommt vom Windrad, Fische werden im nahegelegenen Tümpeln gefangen. Man muss nur ins Wasser greifen und schon legt sich ein Fisch auf die Hand. Die Naturverbundenheit ist bei diesem Prepper enorm, zugleich hat er Waffen zu Hause, genau, Selbstverteidigung und Besitz von Schusswaffen wird von Preppern empfohlen. Also Vorsicht vor nachhaltig lebenden Menschen. Die sind meist schwer bewaffnet.
Dieses Bild eines Selbstversorgers ist ebenso dämlich, wie die Darstellung des nahegelegenen Dorfes, in dem überschmierte Plakate einer Aktivistin, Lennards Frau, hängen, die die junge Generation im nahegelegenen Dorf am liebsten am Galgen hängen sehen will. Als sie tot aufgefunden wird, beginnt der eigentliche Fall. Lenskis Kollege Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) ermittelt.
Das Setting: In ostdeutschen Landen sind die jungen Leute besonders radikalisiert und dumm, es gibt auch gar keine anderen Menschen und es ist überdies überhaupt kein Problem, dass die Kids an die Gewehre ihrer Eltern kommen und damit auf andere Menschen schießen. Sogar Lennards Tochter, die zwischen Vater und Mutter hin- und hergerissen wird, ist zunächst mit von der Partie. Erst Lenskis mehr behauptete als nachvollziehbare Überzeugungskunst holt sie auf die richtige Seite. Gefilmt ist das gegen Ende der Folge wie der Shootout in einem Western. Da schlagen die Kugeln durch Hauswand und Glasscheiben, während sich die Guten auf der Farm für das letzte Gefecht wappnen.
Den Aktivisten gelingt es unterdessen, das gesamte Stromnetz der Republik zu hacken. Ihr Anführer, der sich Ulysses nennt, schwadroniert als sei er auf der Shakespeare-Bühne und alle seine Soldaten arbeiten mucksmäuschenstill, sich der Autoritität eines Wahnsinnigen unterwerfend an der Verwirklichung seiner Untergangsvision.
Christian Buß schreibt zurecht auf Spiegel online: „Statt ins Konkrete zu gehen, was die gesellschaftlichen Bedingungen mit den Figuren anstellen, fährt Glasner das große Sujet aufs psychologische Klein-Klein runter: Die Angst vor dem Weltende ist einfach nur eine Erschöpfung von der Welt, die apokalyptische Stimmung Folge einer klinischen Depression.“
Dass wieder einmal große Probleme unserer Zeit in eine apokalyptische Narration gepackt werden, ist vielleicht noch verzeihlich. Wie dabei indessen vereinfacht wird, ist bedenklich. Welche Bemühungen es in allen möglichen Projekten gibt, Dörfer in Brandenburg (oder auch in Mecklenburg) zukunftsfähig zu machen, wird einer simplen Genredramaturgie geopfert. Dass auf dem Land in Brandenburg, wo der Breitbandausbau gerade erste einsetzt, eine ganze Armada von Computernerds sitzen, um das deutsche Stromnetz zu hacken, ist fast schon putzig.
Matthias Glasner, der oft mit Jürgen Vogel zusammenarbeitet, ist an sich ein guter Regisseur. Für „Landgericht – Geschichte einer Familie“ wurde er gerade mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Was er sich bei diesem platten Endzeit-Krimi gedacht hat, wird aber sein Geheimnis bleiben. Der Drehbuchautor Mario Salazar ist sonst vor allem Theaterautor und scheinbar kein schlechter. Sein Blick auf die Gegenwart im brandenburgischen Land ist ihm gründlich misslungen.
Thomas Klein