Jahrestreffen und Digitalisierung
Aus Anlass des Jahrestags der Verabschiedung des Nationalen Aktionsplans Bildung für nachhaltige Entwicklung trafen sich am 20. Juni 2018 die Fachforen, Partnernetzwerke und das Jugendforum im Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin.
In ihrer Begrüßungsrede (vollständige Rede) kam Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen, die durch Dr. Thomas Greiner (Leiter der Unterabteilung Lebenslanges Lernen und Bildungsforschung im Bundesministerium für Bildung und Forschung) vertreten wurde, auf die Bedeutung des außerschulischen Lernens zu sprechen, auf den aktuellen Stellenwert des Themas nachhaltige Entwicklung in den Schulen (auf der Basis eines Monitorings der FU Berlin) und welche Weichen der Koalitionsvertrag stellen will:
„Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Förderung der Bildung für nachhaltige Entwicklung zu intensivieren. Um das Ziel der strukturellen Implementierung der BNE in allen Bildungsbereichen zu erreichen, sollten wir zukünftig verstärkt auf kommunaler Ebene und im non-formalen Bildungsbereich ansetzen. Gerade auf kommunaler Ebene besteht großes Interesse an BNE. Der non-formale Bereich ist in Deutschland das Rückgrat der BNE-Entwicklung. So kamen in der abgelaufenen UN-Dekade beispielsweise 60 Prozent der ausgezeichneten Akteure aus der außerschulischen Bildung. Daher plant das BMBF dazu neue Aktivitäten.“
„Aktuell begegnet nur knapp die Hälfte der befragten jungen Menschen dem Thema nachhaltige Entwicklung in ihrer derzeitigen Bildungsinstitution. Jugendliche bewerten ihr Wissen über nachhaltige Entwicklung durchschnittlich mit der Schulnote 3. Lehrkräfte schätzen ihr Wissen über BNE sogar noch schlechter ein. Das Anfang Juni veröffentlichte Gutachten einer internationalen Expertengruppe zur deutschen Nachhaltigkeitspolitik generell kommt zu dem Schluss, dass Deutschland zwar auf einem guten Weg ist, die eigenen Ziele aber noch ehrgeiziger verfolgen muss. Eine der elf Empfehlungen der Experten ist, die Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Fähigkeit zum Systemdenken weiter zu stärken. Nachhaltige Entwicklung soll in die Lehrpläne auf allen Ebenen des Bildungssystems integriert werden.“
„Wir haben deutliche Fortschritte bei der Verankerung von Nachhaltigkeit in unserem Bildungswesen gemacht. Durch den partizipativen Agendaprozess beschäftigen sich viele mit BNE, die das bislang nicht getan haben. Das zeigen die neuesten Ergebnisse des Monitorings der FU Berlin.
Die positive Entwicklung schlägt sich bereits in der Praxis nieder. Eine repräsentative Befragung von mehr als 2.500 jungen Menschen im Alter von 14 bis 24 Jahren und 525 Lehrerinnen und Lehrern zeigt: Die Bedeutung nachhaltiger Entwicklung ist in den letzten drei Jahren sowohl für Lehrkräfte, als auch für Schülerinnen und Schüler gestiegen. 4/5 der Lehrkräfte sehen es als ihre Aufgabe an, Nachhaltigkeitsthemen in ihren Unterricht zu integrieren. Die Motivation ist hoch. Wenn die Lehrkräfte nach der idealen Schule gefragt werden, würden sie viel häufiger BNE-Bezüge herstellen. Gegenwärtig weisen nur 16% der Unterrichtszeit diese Bezüge auf. Das heißt: Die Möglichkeiten, BNE in den Unterricht zu integrieren, müssen strukturell weiter verbessert werden.“
Es folgte eine Rede von Walter Hirche (Deutsche UNESCO-Kommission, Internationaler Berater der Nationalen Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung), auf die aus Platzgründen nicht eingegangen werden soll.
Digitalisierung
Den Abschluss der Reden bevor es in den Austausch ging, bildete der Impulsvortrag von Tilman Santarius (Professor für Sozial-Ökologische Transformation und Nachhaltige Digitalisierung an der Technischen Universität Berlin), der die wesentlichen Ansätze in dem von ihm und Steffen Lange geschriebenen und Anfang des Jahres erschienenen Buch „Smarte grüne Welt? Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit“ referierte. Die wichtigsten Aussagen sind hier zusammengefasst:
Leitprinzipien einer zukunftsfähigen Digitalisierung
- Digitale Suffizienz
Techniksuffizienz, Nutzer/innensuffizienz, Datensuffizienz
„So wenig digital wie möglich, so viel wie nötig“ - Gemeinwohlorientierung
Prosuming, Open Source, regionale Wertschöpfung und Sharing
„Kollaborativ statt kapitalistisch“ - Konsequenter Datenschutz
„Wessen Daten? Unsere Daten“
Digitalisierung gestalten
- Transformative Digitalpolitik
- Regulierung
- Anreizinstrumente: z.B. Digitalisierung des ÖPNV
- Rahmenbedingungen:
‚Neuausrichtung des Arbeitsmarkts (z.B. kürzere Arbeitszeiten) und Ökologische Steuerreform
Fazit
Kritische digitale Bildung/Bildung zu nachhaltiger Digitalisierung
- Wie können digitale Instrumente genutzt werden, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen?
- Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Arbeitsplätze aus? Wie ändern sich Berufsbilder? Berufliche Flexibilität
- Was macht Technologie mit Menschen?
- Effizienzchancen versus Rebound-Effekt
- Vernetzung CCC- und BNE-Szene
Weitere Infos:
www.nachhaltige-digitalisierung.de
Twitter: @sustdigi https://twitter.com/sustdigi?lang=de
Hinweis auf Konferenz Bits und Bäume am 17./18. November 2018 an der TU.
Anmeldeschluss für den Call of Participation ist der 19 August 2018. Das PN Medien wird sich beteiligen.
Es folgte eine produktive Diskussion, die deutlich machte, dass vor allem bezüglich der Umsetzung einer kritischen digitalen Bildung Skepsis herrscht. So wurde gefragt, wie wir den Prozess steuern können, wenn es bisher nicht geklappt hat. Santarius hat die Hoffnung, dass die richtige Diskussion kommen wird und dass der öffentliche Diskurs erst beginnt und die Zahlen noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen sind. Eine weitere Frage betraf die Gemeinwohlorientierung. Sie sei gut und schön, aber wie stehe es damit in der Wirtschaft. Santarius verwies auf Jeremy Rifkin und dessen neue Wirtschaftsordnung „collaborative commons“, die das kapitalistische System zu implodieren bringe.
Austauschrunden
Es folgten die als World Café gestalteten Austauschrunden. Erfrischend, das sei hier vorweg erwähnt, waren die Interventionen der Vertreter*innen des Jugendforums youpaN.
- Erste Runde Austausch zwischen den Fachforen und den Partnernetzwerken mit jeweils zwei Themen, die bestimmte oder alle Partnernetzwerke adressierten.
- Zweite Runde Austausch zwischen den Fachforen und den Partnernetzwerken
- Dritte Austauschrunde mit Leitfragen im Fachforum mit allen angedockten Partnernetzwerken
Austauschrunde 1: Station Hochschule
Das Thema „Analyse der Entwicklung und Verbreitung von Narrativen für BNE“ war für alle Partnernetzwerke geöffnet, für das Partnernetzwerk Medien indessen besonders relevant. Die Austauschrunde wurde von Georg Müller-Christ moderiert. Müller-Christ stellte ein Modell vor, bestehend aus der Geschichte, der Meta-Erzählung und dem Narrativ. Im Prinzip ist damit eine Steigerung vom Konkreten zum Abstrakten gemeint. Eine Geschichte erzählt etwa von einer Heldin, die ein Problem lösen muss. Als Meta-Erzählung ließe sich etwa die Rede von Wohlstand durch Wachstum bezeichnen. Die Demokratie kann diesem Modell zufolge ebenfalls als Meta-Erzählung bezeichnet werden. Das Narrativ ist eine Grundannahme, die einer Erzählung Bedeutung verleiht. Über diese Begrifflichkeiten wurde lange diskutiert, vor allem einmal mehr, was ein Narrativ ist und wie wir Narrative erzeugen können. Es wurden Beispiele aufgeführt, die aber auch nicht mehr Klarheit zu erzeugen geeignet waren. Dabei wurde das Thema der „Verbreitung von Narrativen für BNE“ letztlich vernachlässigt.
In der folgenden Mittagspause konnten die Anwesenden die Zeit nutzen, um sich am BNE-Stand zu informieren oder die Fotobox zu verwenden und das eigene Commitment zur BNE fotografisch festzuhalten.
Austauschrunde 2: Station Fachforum Non-formales & Informelles Lernen/Jugend
Hier war das Thema „Identifizierung von Anknüpfungspunkten und Synergieeffekten: Kulturelle Bildung und BNE für alle Partnernetzwerke geöffnet.“ Der Schwerpunkt in der Diskussion mit den Jugendvertretern lag auf „Freiräume für Engangement gewähren“. Die Jugendlichen fanden sich in ihrem Engagement nicht hinreichend unterstützt, indem z.B. Freistellungen von Schule/Ausbildung für die Teilnahme an Veranstaltungen wie dem Jahrestreffen nicht gewährt würden. Generell entstand die Vision bei den Teilnehmer*innen, dass zivilgesellschaftliches Engagement als eine besondere Form des Lernens auch in formalen Zusammenhängen (Schule/Ausbildung/Studium) als Lernleistung anerkannt werden sollte/könnte/müsste.
Austauschrunde 3: Sitzrunde im Fachforum Informelles Lernen
Der Runde waren zwei Leitfragen vorangestellt:
- Leitfrage 1: Wir befinden uns im Jahr 2030. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist fest im deutschen Bildungswesen verankert. Was war der Beitrag meines Fachforums/Partnernetzwerks dazu?
- Leitfrage 2: Welche Weichen müssen wir dazu bis Ende 2019 stellen? Mit wem/welcher Institution möchten wir zu welchen Themen verstärkt zusammenarbeiten?
Die Station Fachforum Non-formales & Informelles Lernen/Jugend beantwortete für sich zunächst die Frage, wie das Jahr 2030 eigentlich aussieht. Denn was es für den Bereich des non-formalen und informellen Lernens bedeutet, wenn nachhaltige Entwicklung fest im Deutschen Bildungswesen verankert ist, muss zunächst einmal beschrieben werden. Dadurch gerieten die Formulierungen bezüglich der Leitfrage, was der Beitrag des Fachforums/der Partnernetzwerke gewesen sei, allerdings etwas unpräzise. Sie sind in den folgenden Punkten aber durchaus herauszulesen.
- BNE ist naturalisiert und zu einem Leitbild geworden
- Bildungsbereiche sind stärker verbunden
- BNE ist zentraler Bestandteil bei Übergängen
- Lebenslanges Lernen lebt
- Informelle Lernleistungen/-erfahrungen sind anerkannt. Zugleich wird Leistung und Exzellenz kritisch reflektiert.
- Der Wert freier Zeit und freier Gestaltung ist entdeckt
- Non-formale Lernangebote sind sichtbar
- Digitale Medien sind eingesetzt
- Politische Ressorts arbeiten enger zusammen
- BNE erreicht alle Milieus
- Kreativität und Talentorientierung
- Kinder- und Jugendbetreuung ist vorhanden
Diese Punkte können von unseren Lesern gerne weiter im Kommentar ergänzt werden. Als Vertreter des PN Medien ließe sich noch das Thema Narrationen/Narrative einbringen. Dass dies bei der Veranstaltung nicht passiert ist, hat vielleicht auch damit zu tun, das etwa eine Aussage wie „Gestaltung erfolgreicher Narrationen und Narrative der nachhaltigen Entwicklung“ als Beitrag des Partnernetzwerks Medien allzu naiv erscheint. Das Partnernetzwerk Medien hat als Kooperationspartner von Georg Müller-Christ vom Fachforum Hochschule vom BMBF gerade den Auftrag für eine wissenschaftliche Studie zum Thema „Analyse der Bedeutung der Medienkommunikation für die Entwicklung und Verbreitung von Narrativen für BNE“ erhalten. Es wird sich zeigen, welche Ergebnisse diese Studie hervorbringt (mehr zu dieser Studie demnächst im Blog).
Weichen
- Anerkennung von Trägern und Angeboten der non-formalen Bildung
- Budgetierung / Absicherung des Bereichs
- Durchlässigkeit von Qualifizierung
- Erwähnung im Bildungsbericht
- Kommunen als Partner
- Unabhängigkeit und Eigenständigkeit wahren
- Indikatorik: Prozessindikatoren
Die Schlusspunkte der Veranstaltung bildeten kurze Präsentationen der Ergebnisse aus den Fachforen und ein Auftritt der Improtheatergruppe frei.wild (siehe Beitragsfoto), deren Performance sich, wie beim Improtheater üblich, aus Beiträgen des Publikums speiste.