Klimawandel sucht Format
Von Ephraim Broschkowski und Sandra Kirchner
Unter Filmschaffenden gilt der Klimawandel als abstrakt, nicht anschaulich genug und deshalb schwer medial vermittelbar. Es gibt zwar eine Reihe gelungener Beispiele für die Kommunikation klimawissenschaftlicher Themen mit audiovisuellen Medien. Allerdings sind das in der Regel informierende Formate, die sich an ein interessiertes Publikum richten und dabei inhaltlich stark auf einzelne Aspekte fokussiert sind.
Dennoch ist jeder – auch gescheiterte – Versuch, das Thema in seiner Gänze und für ein breites Publikum zu kommunizieren, wichtig und gut. Denn Filme und ihre Wirkung lassen sich nicht auf dem Reißbrett planen; um eine Erprobung kommt man nicht herum. In ihrer Summe bilden diese Versuche einen kulturellen Fundus, auf den zurückgegriffen werden kann, um Neues entstehen zu lassen.
Trotzdem kann man über das Gros der filmischen Angebote, die versuchen, das Thema in seinem gesamten Umfang darzustellen, überspitzt sagen: Entweder wird die wissenschaftlich hinreichend korrekte und komplexe Darstellung auf dem Altar der Unterhaltung geschlachtet und der Beliebigkeit anheim gegeben oder sie sind korrekt – aber wenig unterhaltsam. In den meisten Fällen liegen die Werke irgendwo dazwischen.
Autos im Stau, rauchende Schornsteine, Eisbären, Extremwetter-Ereignisse wie Hurrikan „Katharina“ etc. Die Analyse diverser Filme zum Klimawandel zeigt, dass sich immer die gleichen Bilderwelten zum Thema finden: Diese sind oft auch thematisch unscharf zugeordnet, sodass Bilder von Wetterereignissen wie Tsunamis oder Atomkraftwerken Aussagen zu Klimafolgen (falsch) bebildern. Das findet seine Entsprechung bei bestehenden Footagedatenbanken, auf die Filmemacher zur Bebilderung ihrer Werke zurückgreifen. Beispiele sind Framepool oder Gettyimages, deren Angebot zu den Themen „Klimawandel“, „Globale Erderwärmung“ etc. ebenfalls sehr undifferenziert ist.
Nicht nur die visuelle Ebene vermittelt teilweise schiefe Klischees. Auch der Inhalt leidet häufig unter Verkürzungen und Überzeichnungen klimawissenschaftlicher Fragen (Schäfer 2012, S. 31). In journalistischen Beiträgen zum Klimawandel überwiegen Negativmeldungen und Horrorszenarien, denn sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass über ein Ereignis berichtet wird (Kunczik/Zipfel 2005, S. 256). Auch wenn die meisten Redakteure, Autoren und Produzenten persönlich wesentliche Aspekte der Nachhaltigkeit wie beispielsweise Umwelt- und Klimaschutz befürworten, spielen sie bei der Gestaltung von Medieninhalten selten eine Rolle (Hagedorn et. al. 2004, S. 3).
Das hat Gründe: Bei klimawissenschaftlichen Themen fehlt der Alltagsbezug. Der Klimawandel selbst ist sinnlich nicht wahrnehmbar, zumindest in den meisten Industrienationen. Einfache Lösungen, mit denen der Einzelne das Problem in den Griff bekommen kann, gibt es nicht. Ein weiteres Dilemma: Der Nachhaltigkeit fehlt in den deutschen Medien ein „Gesicht“. Denn die mediale Vermittlung von Klimawandel und Nachhaltigkeit muss an Menschen festgemacht werden, die als überzeugende Protagonisten und Identifikationsfiguren das Leitbild der Nachhaltigkeit verkörpern (Hagedorn et. al. 2004, S. 4).
Themen rund um die Klimawissenschaft sind komplex und kompliziert. Komplex, weil sich die Zusammenhänge der zahlreichen Themen nicht linear erzählen lassen. Jene Themenwolke, die die klimawissenschaftlichen Erkenntnisse umgibt, wird bisher nur ungenügend bewältigt. Kompliziert, weil es sich um wissenschaftliche Grundlagen, Erkenntnisse, Zusammenhänge und Perspektiven handelt. Wie kann man „Unsicherheit“ so kommunizieren, dass nicht „Ahnungslosigkeit“ verstanden wird?
The 11th hour (USA 2007, R.: Nadia Conners & Leila Conners Petersen) analysiert mit Leonardo di Caprio als Erzähler, wie die Menschheit in die heutige Situation geraten ist: wie wir das Ökosystem beeinflussen und was wir tun können, um eine Wende herbeizuführen. Experten kommen zu Wort, darunter der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow oder der Wissenschaftler Stephen Hawking. Neben den prominenten Experten kommen allerdings auch Menschen zu Wort, deren Expertise für den Zuschauer nicht ganz ersichtlich ist: Autoren wenig bekannter Bücher, Stammesführer indigener Völker etc. Ein ähnliches Beispiel: The Great Warming (USA, CAN 2006, R.: Michael Taylor). Keanu Reeves und Alanis Morissette führen als Erzähler durch einen Film, der anhand von Interview-Sequenzen und einem großen Bilderteppich den Klimawandel und dessen Folgen darstellt. Beide Filme weisen ein ähnliches Strickmuster auf: Prominente Schauspieler und (vermeintliche) Experten erläutern in visuell wenig attraktiven Interviewsituationen das Problem des Klimawandels, die Dimensionen und schließlich Lösungsansätze. Das Bildmaterial stammt dabei größtenteils aus Footage-Datenbanken und dient vor allem zur Bebilderung der unterschiedlichen Aussagen. Oft werden viele Probleme mit dem Klimawandel assoziiert, die eher auf eine allgemeine Zivilisationskritik zielen: Asthmaerkrankungen, Atomkraft, Vereinzelung etc. Eine visuelle Dramaturgie, eine Erzählung oder eine konsistente Verwendung von Bildern ist in keinem der beiden Beispiele zu erkennen (1).
Besser bewältigt der Film „Eine unbequeme Wahrheit“ (USA 2006, R.: Davis Guggenheim) sein Thema. Guggenheim, begleitet in seinem Dokumentarfilm Al Gore bei dessen Aufklärungskampagne über den Klimawandel. „Eine unbequeme Wahrheit“ ist eher ein Monolog als eine Dokumentation, nur an einigen Stellen werden Bilder des reisenden Gore oder Interviewausschnitte mit ihm gezeigt, die ihn zwar als Figur nicht vollständig beleuchten, aber die Motivation für seinen Kampf passend in den Film einflechten. Durch die starke Bindung an die Person Al Gore gelingt dem Film trotz der Komplexität des Themas eine Konsistenz, die viele andere Filme vermissen lassen.
Ein weiterer Film in einer Reihe von Klima-Dokumentarfilmen, The Age of Stupid (Großbritannien 2009, R: Franny Armstrong), geht mit der Themenvielfalt progressiv um und schafft eine Rahmenhandlung, in der sich der Hauptdarsteller an einem Bildschirm kurze dokumentarische Module ansieht, die in ihrer Zusammenstellung das Problem fassbar machen sollen. Zu empfehlen ist ebenso Everything’s Cool (USA 2007, R.: Daniel B. Gold und Judith Helfand), der unter anderem zeigt, wo Konfliktlinien zwischen Klimawissenschaft und Medien sind und die Wirkung dokumentiert, die die Premiere von „The Day After Tomorrow“ auf die öffentliche Debatte in den USA hatte.
Fiktionale Formate sind bislang selten, obwohl sie ein großes Potential haben, Zuschauer emotional anzusprechen. Denn das menschliche Gehirn arbeitet nicht ausschließlich analytisch, häufig knüpft es an Instinkten, Gefühlen und Erfahrungen an. (2) Das Interesse jüngerer Zuschauer an fiktionalen Inhalten spricht dafür, diese bei der Klimakommunikation zu forcieren (Krauß 2013, S. 129). Schließlich sind sie es, die den Klimawandel deutlich stärker zu spüren bekommen werden.
Bislang gibt es wenige fiktionale Filme zum Thema „Klimawandel“. Das bekannteste Beispiel ist „The Day After Tomorrow“ (USA 2004, R.: Roland Emmerich). Da die Weltgemeinschaft nicht auf Paläoklimatologen wie Adrian Hall (Dennis Quaid) gehört hat, kommt es zu Wetterkatastrophen, und die Vorboten einer neuen Eiszeit stellen sich ein. Die zeitliche Darstellung der Klimafolgen in dem Film deckt sich nicht mit den Prognosen der Klimawissenschaftler, trotzdem sorgte die drastische Darstellung für viel Aufsehen und Initiativen nahmen den Filmstart zum Anlass, ihre Themen und Forderungen auf die Agenda zu bringen. Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e.V. kommt in seiner Abhandlung THE DAY AFTER TOMORROW – some comments on the movie ungeachtet aller wissenschaftlichen Ungenauigkeiten ebenfalls zu einer positiven Bewertung und erkennt sich sogar in der Hauptfigur des Wissenschaftlers wieder, der vor der UN seine klimawissenschaftlichen Ansichten vorträgt. Was der Katastrophenfilm allerdings nicht leistet, ist Handlungsoptionen für den Zuschauer aufzuzeigen, mit denen der Klimawandel noch abzuwenden oder zu kontrollieren sei. Neben einigen wenigen fiktionalen Fernsehproduktionen gibt es noch die B-Movie-Produktion The Steam Experiment (USA 2009, R.: Philippe Martinez). Ein verwirrter Professor wagt ein brutales Experiment, um auf die Auswirkungen der globalen Erwärmung aufmerksam zu machen. Er nimmt sechs Geiseln und schließt sie in einem türkischen Badehaus ein. Der Professor fordert, dass seine Hypothese zur globalen Erwärmung in den Zeitungen auf Seite Eins erscheint.
Gibt es neben dem abendfüllenden Film audiovisuelle Formate, die besser geeignet sind, diesem Anspruch gerecht zu werden? Schon häufiger fiel in der Debatte um die Kommunikation von Themen der Nachhaltigkeit das Schlagwort „Daily Soap“ oder „Telenovela“. In diese Formate kann man sicherlich durch „Themen-Placement“ Nachhaltigkeits-Themen integrieren. Aber im Wesentlichen werden diese Formate nicht gesehen, um viel über die Welt zu erfahren. Im Gegenteil: In den endlosen Ränkespielen um Liebe, Trennung, Macht, Betrug etc. sucht der Zuschauer Zuflucht und will dem Alltag zumindest für ein paar Augenblicke entfliehen. Formate, die vor allem deshalb erfolgreich sind, weil sie die Lust am Banalen befriedigen, scheinen ungeeignet. Der Versuch, sie ihrer eigentlichen Bestimmung, mit Trivialität zu unterhalten, zu entheben und für „Nachhaltigkeitszwecke“ umzudeuten, birgt die Gefahr, auch das Thema zu trivialisieren.
Von den populären Formaten scheint hingegen die so genannte Qualitäts-Serie geeignet, deren Vertreter wie „The Wire“, „Newsroom“ oder „House of Cards“ nicht nur die Bildschirme, sondern auch die Feuilletons füllen. Aktuelle Produktionen etwa aus dem Hause HBO haben gezeigt, dass sie komplexe Welten erschaffen können, in denen verschiedene Handlungsstränge parallel erzählt werden, Figuren verschiedene Entwicklungen durchlaufen und Handlungsoptionen durchgespielt werden können. Es lohnt sich sicherlich über cross- oder transmediale Ansätze nachzudenken, auch wenn es sich hier noch um Nischen-Formate ohne großes Publikum handelt.
Eine weitere Ursache für die unbefriedigenden filmischen Darstellungen liegt auch in der inhaltlichen Aufbereitung. Die Komplexität der Themen überfordert viele Medienschaffende. Das Resultat sind unglückliche oder lückenhafte Vereinfachungen. Fehlendes Wissen und mangelnde Erfahrung im (klima-)wissenschaftlichen Betrieb führen neben falschen Darstellungen zu pathetischer Überladung oder einer appellativen Tonalität, die die Zuschauer nicht anspricht.
Zwar erscheint es zunächst so, dass die wissenschaftliche Komplexität des Klimawandels nicht vollumfänglich und unterhaltsam vermittelt werden kann. Doch die formalen Anforderungen an Medieninhalte lassen sich unserer Erfahrung nach mit den klimawissenschaftlichen Anforderungen vereinen, wenn Klimawissenschaftler und Medienpraktiker interdisziplinär zusammenarbeiten. Was für disziplinübergreifende Forschung allgemein gilt, lässt sich erst recht für die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse konstatieren: Interdisziplinarität ist nötig und möglich, aber schwierig (Vollmer 2013, S. 72).
Jeder Film ist ein Unikat und bringt andere Herausforderungen mit sich. Deswegen lässt sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht systematisieren, sondern muss durch die fortwährende Erprobung mit unterschiedlichen Formaten, Kommunikationszielen und Zielgruppen neu angegangen werden. Um unterhaltsame und wissenschaftlich valide Klimamedien herzustellen, gibt es keinen Automatismus. Im Wesentlichen ist es eher die Etablierung neuer Workflows. Die Defizite bei der inhaltlichen Aufbereitung und Komprimierung lassen sich durch einen konsequenten interdisziplinären Ansatz ausräumen.
Die Frage, welches Format die große umfängliche Erzählung der Nachhaltigkeit, der Klimafolgen oder der Transformation fassen kann, bleibt vorerst unbeantwortet. Hier muss weiter gesucht und darf weiter gescheitert werden.
Fußnote und Literatur
Ephraim Broschkowski (Climate Media Factory)
Dipl.-Medienwissenschaftler Ephraim Broschkowski, Jahrgang 72, war als freier Autor, Producer, Dozent und Filmemacher für diverse Institutionen und Unternehmen tätig. Er hat sich auf die Kommunikation von Themen der Nachhaltigkeit spezialisiert. Heute ist er Creative Producer der Climate Media Factory.